Im Herzen Zentralasiens
Kasachstan: Eine Vision wird Wirklichkeit
Noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es keine rein kasachischen Kirchen. Heute gibt es in Kasachstan eine lebendige evangelikale Gemeinschaft mit rund 400 Gemeinden, davon 150 rein kasachisch – Tendenz steigend.
«Kasachstan ist flächenmässig das grösste Land in Zentralasien. Gemessen an der Landmasse ist es das neuntgrösste Land der Welt. Es gilt als Land mit muslimischer Mehrheit, aber die Bevölkerung von 20 Millionen Menschen ist multikulturell, tolerant, multireligiös und offen. Das politisch neutrale Kasachstan ist stolz darauf, dass die fast 100 verschiedenen Ethnien friedlich koexistieren», erklärt Prof. Dr. Johannes Reimer der Weltweiten Evangelischen Allianz in einem Bericht über das zentralasiatische Land im Nachrichtenmagazin «Evangelical Focus».Die Kasachen stellen etwa 75 Prozent der Gesamtbevölkerung, slawische Völker wie Russen, Ukrainer, Weissrussen und Polen 20 Prozent und andere Nationalitäten 5 Prozent der Bevölkerung. Die chinesische Diaspora wächst von Tag zu Tag, ausserdem gibt es grosse Gemeinschaften von Koreanern.
Fast ein Drittel Christen
«Kasachstan ist strategisch und geopolitisch sehr gut zwischen China, Europa und dem Nahen Osten positioniert und verfügt über eine wachsende und lebendige evangelikale Gemeinschaft. Heute sind fast 30 Prozent der Bevölkerung Kasachstans Christen. Obwohl die meisten von ihnen immer noch einen nicht-kasachischen Hintergrund haben, wächst die Zahl der Kasachen, die sich zu Jesus bekennen», stellt Reimer fest und gibt einen geschichtlichen Hintergrund: «Schon früher in ihrer Geschichte waren die Kasachen weitgehend christlich und trugen das Evangelium bis nach China und in die Mongolei. Erst langsam verbreitete sich der Islam in der Mehrheit der Bevölkerung. Später, zu Zeiten der Sowjetunion, wurde der Atheismus zur vorherrschenden Ideologie des Landes.»
Neuer Anfang
Der Neubeginn des evangelikalen Christentums unter den kasachischen Stämmen geht nach Reimer auf die 1990er Jahre zurück. In der Tat gab es zu Beginn dieser Jahre keine einheimischen kasachischsprachigen Kirchen. Als allererste kasachischsprachige Kirche gründete Pastor Malik 1992 die Rakhim (Barmherzigkeit) Kirche in Alma-Aty mit einer kleinen Gruppe kasachischer Gläubiger. Dann begannen die Baptisten mit der kasachischen Bevölkerung zu arbeiten. Von 1993 bis 1998 wurden mit Hilfe ausländischer Missionare aus Europa (auch aus der Schweiz), Nordamerika und Südkorea sowie aus anderen Ländern viele kasachische Gemeinden gegründet. Reimer: «Diese Jahre werden als die fruchtbarsten Jahre für Kasachstan angesehen. Die Erweckung und das Gemeindewachstum gingen steil nach oben.»Die Zahl der registrierten evangelikalen Kirchen in Kasachstan beläuft sich heute auf etwa 400, darunter alle russischsprachigen und kasachischsprachigen Kirchen. Die grosse Mehrheit von ihnen gehört zur Evangelischen Allianz Kasachstans (EAK) und die meisten befinden sich laut Reimer im Süden und Südosten des Landes.
Heute gibt es etwa 150 kasachischsprachige evangelische Kirchen in Kasachstan, einschliesslich der registrierten und nicht registrierten Hauskirchen. Diese Gemeinden haben im Durchschnitt etwa 50 Mitglieder. Es gibt aber auch einige grosse, die etwa 600 bis 800 Mitglieder zählen.
Der kasachische Kurultay
Kasachische Gläubige haben ihre eigene Vereinigung gegründet, die Kurultay (dt. Versammlung) heisst. Die «Kurultay» war bei den frühen Turkvölkern die Volksversammlung oder der Reichstag. «Das Hauptziel des Kurultay ist es, die Einheit aller kasachischen evangelikalen Kirchen zu fördern und konfessionelle Schranken zu beseitigen, um so als ein Leib Jesu Christi zu dienen und das Reich Gottes in allen Regionen Kasachstans auszuweiten», erklärt Reimer.
Von Anfang an war Kurultay eng mit der Evangelischen Allianz von Kasachstan verbunden. Heute umfasst das Netzwerk Kirchen aus fast allen evangelischen Denominationen, die im Land vertreten sind. Dazu gehören Pfingstler, evangelikale christliche Baptisten, unabhängige Baptisten, Charismatiker, Presbyterianer, Methodisten und andere unabhängige protestantische Kirchen.
Das Kurultay ist eines der wichtigsten jährlichen Treffen in Kasachstan. «Wir versammeln jährlich Pastoren und Leiter aus allen Regionen Kasachstans», sagt der leitende Pastor, Yerkinbeck Serikbaev. «Das ist eine Plattform für alle Pastoren, um sich kennenzulernen, gemeinsam zu beten, ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen auszutauschen und Pläne und Strategien für die Zukunft zu schmieden.»
Kurultay veranstaltet ebenfalls missionarische Einsätze, zum Beispiel während des grössten nationalen Feiertags Navruz (das zentralasiatische Neujahrsfest im Frühling).
Aussendung von Missionaren
Spezielle Konferenzen und Schulungsseminare für Leiter, Jugendliche und Frauen sowie Sommerlager für Kinder und Jugendliche werden von der Kurultay organisiert. Serikbaev erklärt: «Wir glauben, dass Gott uns strategisch positioniert und uns, den Christen Kasachstans, eine missionarische Berufung gegeben hat, um die gute Nachricht zu den muslimischen Völkern in nah und fern zu bringen. Kurultay organisiert kurzfristige Missionsreisen und entsendet Langzeitmissionare. Kasachische Pastoren und Missionare gehen aufgrund unserer kulturellen Verwandtschaft und unseres religiösen Hintergrunds in andere Länder turksprachigen Welt, um Gemeinden zu gründen.» So reiste eine Gruppe von Pastoren und Laien in die mongolische Region Bayan-Ulgi im Westen der Mongolei, in der hauptsächlich Kasachen leben.
«Auf der letzten Missionsreise reisten wir mit einer Gruppe von 30 Personen in einem Bus dorthin», berichtet Serkinbaev. «Wir haben ein dreitägiges Seminar für Christen durchgeführt. Ausserdem haben wir das Evangelium mit den Einheimischen geteilt. Und sowohl die mongolischen Christen als auch die Zuhörer unserer evangelistischen Predigten drückten ihre tiefe Dankbarkeit aus. Das Evangelium in ihrer Muttersprache zu hören, ist für sie etwas Besonderes und die Akzeptanz der Wahrheit war überwältigend.»
Vorgesehen ist, drei- bis viermal im Jahr Missionsreisen in verschiedene Regionen Kasachstans zu organisieren, vor allem im Norden, Westen und Osten, wo es weniger Kirchen und Christen gibt. Ausserdem sind Missionsreisen in die Mongolei, nach Tadschikistan, Usbekistan, in Länder des Nahen Ostens wie Saudi-Arabien und in andere Länder geplant, in denen die Kirchen rar und Missionare willkommen sind.
Konferenz- und Missionszentrum
Kurultay hofft, die offizielle Registrierung bis Ende 2022 zu erhalten. Eins der grossen Anliegen der Leitung ist ein Konferenzzentrum in der Stadt Almaty, das als Missionsausbildungszentrum Kasachen in ihrer eigenen Sprache schult, um Missionare, Prediger und Arbeiter in Länder und Orte in Kasachstan, der weiteren turksprachigen Welt und darüber hinaus zu senden. Kurultay hofft und plant weiter, ein Studio für Audio- und Videoaufnahmen, Internetmedien, eine Druckerei, ein Fernseh- und Radiostudio, ein Gebetszentrum, Schlafsäle und eine Halle für Massenveranstaltungen einrichten zu können.
In einem Brief an die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) bittet die Leitung von Kurultay um Unterstützung und Hilfe durch die weltweite Kirche. Die Kosten für solch ein Zentrum in Alma Aty würden zwei bis drei Millionen Dollar betragen. 100'000 Dollar haben Christen im Land bereits gesammelt. In einem der grössten Turk-Völker und strategisch zentral an der «Seidenstrasse» gelegen, könnte ein solches «Türkisches Zentrum» gewaltige Auswirkungen für die Ausbreitung des Evangeliums in Zentralasien und unter den Turk-Völkern mit insgesamt 180 bis 200 Millionen Einwohnern haben.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / Wikipedia