«Mediales Schweigen»
«Verfolgt und Vergessen?» nimmt 24 Länder unter die Lupe
Ein Bericht der katholischen Hilfsorganisation «Aid to the Church in Need» enthüllt, dass in mindestens 18 von 24 untersuchten Ländern Verfolgung, Unterdrückung und Mord an Christen zunimmt – und kritisiert das mediale Schweigen darüber.
In ihrem am 16. November vorgestellten Bericht «Persecuted and Forgotten?» («Verfolgt und vergessen?») stellt die katholische Hilfsorganisation fest, dass in 75 Prozent der 24 untersuchten Länder im Berichtszeitraum die Unterdrückung oder Verfolgung von Christen zugenommen hat. Vor allem in Afrika, speziell in Nigeria, sei die Gewalt stark angewachsen. Der Bericht enthält Informationen von «Kirche in Not (ACN)» und anderen lokalen Quellen, Zeugenaussagen, Zusammenstellungen von Vorfällen, Fallstudien und Länderanalysen über das Ausmass, in dem Christen verfolgt werden.
Nigeria: «Wie viele Leichen sind nötig?»
Der Bericht wurde im britischen Parlament mit einer Grundsatzrede von Bischof Jude Arogundade vorgestellt. In der Diözese des nigerianischen Bischofs war im Juni nach dem Sonntagsgottesdienst eine Pfarrei von Bewaffneten angegriffen worden; mehr als 40 Menschen starben bei dem Angriff. Arogundade kritisierte im Vorfeld der Veranstaltung, dass niemand dem Völkermord, der in weiten Teilen des Mittleren Gürtels (Middle Belt) Nigerias stattfinde, Beachtung schenke: «Die Welt schweigt, während Angriffe auf Kirchen, ihre Vertreter und ihre Einrichtungen zur Routine geworden sind. Wie viele Leichen sind nötig, um die Aufmerksamkeit der Welt zu erregen?» Berichten zufolge wurden zwischen Januar 2021 und Juni 2022 bis zu 7'600 nigerianische Christen ermordet, wobei für die meisten Morde terroristische, nichtstaatlichen Kämpfer verantwortlich sind.
In Grossbritannien hat das Hilfswerk eine Petition an die Regierung gestartet, mehr Druck auf Nigeria auszuüben, die Schuldigen an Massakern wie zu Pfingsten 2022 zur Rechenschaft zu ziehen. In den USA verlangt eine ähnliche Petition von Präsident Biden, Nigeria wieder auf die Liste «besonders besorgniserregender Länder» zu nehmen, von der er sie im letzten Jahr gestrichen hatte, ohne eine Erklärung dafür zu geben.
Auch in Asien …
Auch in Asien führe religiöser Nationalismus zu zunehmender Gewalt gegen Christen, wobei in Indien Hindutva- und in Sri-Lanka singhalesisch-buddhistische Nationalistengruppen aktiv sind. In Indien kam es zwischen Januar 2021 und Anfang Juni 2022 zu 710 Vorfällen antichristlicher Gewalt, die zum Teil auf politischen Extremismus zurückzuführen sind. Während einer Massenkundgebung in Chhattisgarh im Oktober 2021 applaudierten Mitglieder der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP), als der Hindu-Führer Swami Parmatmanand zur Tötung von Christen aufrief.
… und im Nahen Osten
Dem Bericht zufolge bedroht eine Auswanderungswelle im Nahen Osten das Überleben einiger der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt. In Syrien ist die Zahl der Christen von zehn Prozent der Bevölkerung auf weniger als zwei Prozent gesunken – von 1,5 Millionen kurz vor Kriegsbeginn auf heute rund 300'000. Im Irak ist der Exodus langsamer, aber die Zahl der Christen hat sich von etwa 300'000 Christen im Jahr 2014 bis zum Frühjahr 2022 auf 150'000 halbiert. «Persecuted and Forgotten?» berichtet auch darüber, dass in so unterschiedlichen Ländern wie Ägypten und Pakistan christliche Mädchen regelmässig systematischen Entführungen und Vergewaltigungen ausgesetzt sind.
Das internationale katholische Hilfswerk Kirche in Not (früher: Ostpriesterhilfe, internationaler Name: Aid to the Church in Need ACN) wurde 1947 gegründet, ist seit 2011 eine Stiftung päpstlichen Rechts und setzt sich mit rund 6'000 Projekten jährlich für verfolgte, bedrängte und notleidende Christen in über 140 Ländern ein.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Kirche in Not / ACN International