Juden und Jesus
Wo stehen die Messianischen Juden heute?
«Messianische Juden» lassen sich nicht mehr übersehen: Seit ihren Anfängen in den USA um 1850 ist ihre Zahl weltweit auf mehr als eine Viertelmillion gestiegen. Eine Konferenz in Wien hat ihre aktuelle Situation beleuchtet.
Messianische Juden glauben an Jesus als den Messias Israels und behalten zugleich ihre jüdische Identität bei, indem sie nach den Regeln der Thora leben. Zwar sollte es für Katholiken seit dem II. Vatikanum, für die EKD und andere evangelische Grosskirchen nach Magdeburg 2016 keine Judenmission mehr geben. Dennoch haben die Begriffe Zeugnis, Bekehrung und Glaube an Jesus in charismatischen Freikirchen weiter hohen Stellenwert und dürfen keinen negativen Beigeschmack erhalten.
Mit diesem Spannungsverhältnis befassten sich an der Universität Wien vom 11. bis 13. Juli Expertinnen und Experten unter der Thematik «Jesus – auch der Messias für Israel? – Die jüdische Messianische Bewegung und die Christenheit im Dialog».
Wiederkunft Jesu und Wiederherstellung Israels
Initiator des internationalen Symposiums war der profilierte katholische Dogmatiker Jan-Heiner Tück. Er ist auch in der Schweiz kein Unbekannter, seit er 1999 bis 2001 an der Universität Luzern einen Lehrauftrag am Dritten Bildungsweg erhielt. Als eines der Ergebnisse der Tagung hob er eine produktive eschatologische Irritation hervor, besonders in der Frage der Landverheissung: «Viele messianische Juden glauben, dass mit der endzeitlichen Wiederkunft Jesu Israel wiederhergestellt werde und geschichtlich-konkret ein 1000-jähriges messianisches Friedensreich beginne.»
Engführung der Eschatologie überwinden
Sie enthüllen damit die Parusie-Vergessenheit vieler christlicher Grosskirchen. «Zugleich geben sie den Anstoss, eine spiritualisierende und individualisierende Engführung der Eschatologie zu überwinden und auch die konkrete geschichtliche Dimension der Heilshoffnung zu bedenken.» Dabei sei die «tastende Deutung» der Wiederkehr vieler Juden in das Land Israel als «Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk» nicht zu verwechseln mit einer religiösen Legitimation der Politik des Staates Israel: «Politische Messianismen sind theologisch inakzeptabel!»
Die Schweiz war in Wien durch Prof. Ursula Schumacher vertreten. Sie wird am 1. August ihre Lehrtätigkeit am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung der Universität Luzern aufnehmen. Diese weltweit hochangesehene Institution wurde 1971 durch Prof. Clemens Thoma begründet. Er konnte die Lehre Jesu ganz aus dem Judentum heraus erklären. Seine zweite Nachfolgerin bringt ihr neueste Arbeit über göttliche und messianische Schönheit ein: Wer die Schönheit angeschaut mit Augen…
Das einigende Band zwischen messianischen Juden und Christen
Diese «Phänomene von Schönheitserfahrung in systematisch-theologischer Deutung» bedeuten laut Ursula Schumacher in Bezug auf das jüdisch-mystische Messiaswerk einer Wiederherstellung der Schöpfung auch das Fortwirken Jesu nach seiner Auferstehung in der Kirchen- und Weltgeschichte. Dieses «Tikun olam» stellt das stärkste einigende Band zwischen messianischen Juden und «messianischen Christen» dar, auf deren Bewusstwerdung noch zu warten ist.
Das Symposium wurde, wie es in seinem Programm hiess, für die Erzdiözese Wien von Diakon Johannes Fichtenbauer «begleitet». Das war eine untertriebene Vorstellung, da es sich bei ihm neben allen hochtheologischen Theoretikern um den – von Prof. Schumacher abgesehen – einzigen Wortführer messianischer Juden handelte. In der Schweiz wurde er bekannt durch sein Auftreten 2008 bei der Wake Up Conference in Widnau (SG) zur «Einheit mit messianischen Juden aus katholischer Sicht».
«Jeder Jude erkennt seinen Messias»
Von ihm wurde die Tagung für die messianische Aktionsgemeinschaft «Initiative Toward Jerusalem Council II» begleitet, deren Leitung Diakon Fichtenbauer angehört. Ebenso wie Martin Bühlmann von «Vineyard» aus der Schweiz und Erzbischof Doug Beacham von der Internationalen Pfingstlichen Heiligungskirche. Weiter aber die israelischen Messianischen Juden und vor allem Kiews messianischer Oberrabbiner Boris Grisenko. Von ihm stammt der Grundsatz «Jeder Jude erkennt seinen Messias». Das ist ganz im Sinn der christlich-charismatischen «Erweckung» in unseren Freikirchen. Eine schönere, innere Verbindung könnte es gar nicht geben!
Zum Thema:
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet
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