Argentinien
Erweckung hinter Gittern
Die Evangelikalen in Argentinien nehmen zu – von 9 Prozent (2008) auf 15,3 Prozent (2019). Ein guter Teil der Erweckung geschieht in den Gefängnissen des Landes.
Wie in den meisten Ländern der Region bekehren sich Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft, vor allem aber «die Schwächsten, auch die Inhaftierten», so Verónica Giménez vom Landesstatistikamt für Forschung (National Council for Scientific and Technical Research, CONICET). In der Provinz Santa Fe z. B. leben 40 Prozent der rund 6'900 Häftlinge in «Evangelikalen-Blocks», schätzt der Pfingstler Walter Gálvez, Untersekretär für Gefangenenhilfe. Seit Ende der 1980er-Jahre dienen die Gemeinden «Puerta del Cielo» (Tür zum Himmel) und «Redil de Cristo» (Schafstall Christi) in den Gefängnissen von Santa Fe; inzwischen haben sie über 120 Pastoren, die dort arbeiten.
Vom Auftragsmörder zum Seelsorger
In Rosario (1,3 Mio. Einwohner) herrschen Armut und Kriminalität. Die Bandenkriege um Gebiete und Drogenmärkte haben die Haftanstalten voll werden lassen; 80 Prozent der Verbrechen in Rosario werden von jungen Auftragskillern verübt – die arbeiten für die Drogenbanden. Die Bandenchefs sitzen zwar im Gefängnis, betreiben ihr «Geschäft» aber trotzdem weiter.
Jorge Anguilante sitzt in Piñero seine zwölf Jahre wegen Mordes ab, aber er hat jede Woche Freigang: In einer Garage in der gewalttätigsten Stadt Argentiniens hat er eine Gemeinde gegründet, dort darf er predigen. Wenn er das Gefängnis verlässt, grüsst der frühere Kriminelle und jetzige Pastor die Wachen mit «Segen!». Durch Gottes Wort ist er «ein neuer Mensch» geworden.
Dass ein Mörder sich hinter Gittern bekehrt, ist in der Provinz Santa Fe und ihrer Hauptstadt Rosario keine Seltenheit. Viele von ihnen begannen als Teenager mit Drogen zu handeln und gerieten in eine Spirale der Gewalt: Einige landeten im Grab, andere in überfüllten Gefängnissen – und hier herrschen zwei Kräfte: die Evangelikalen und die Drogenhändler.
«Veränderung ist möglich!»
Szenenwechsel, Gefängnisgottesdienst: Aus den Lautsprechern dröhnen Hymnen im Pop-Stil, drei Kameras sorgen für eine Wiedergabe auf YouTube, damit jeder dabei sein kann. «Keiner kommt mehr in den Knast – weder eure Kinder noch eure Enkel!», ruft der Prediger in die Menge. «Veränderung ist möglich!»
Der Häftling Ruben Luna, wegen Mordes zu 14 Jahren verurteilt, umarmt Sebastian Monje, seit acht Monaten wegen versuchten Mordes und Raubes inhaftiert. Sebastian wird gleich getauft – im «Evangelikalen-Block» der Haftanstalt Piñero.
Jeder Evangelikalen-Block hier wird von zehn Gefangenen geleitet; mit rund 15 Assistenten regeln sie den Alltag der 190 Häftlinge: Sie überwachen alles und sorgen für Frieden. «Wir übernehmen die Abteilung nicht mit dem Messer, sondern mit der Bibel», sagt Pfingstpastor Sergio Prada. Wer hier wohnen will, muss sich an die Regeln halten – z. B. täglich drei Gebetszeiten sowie Abkehr von Drogen aller Art und von Gewalttätigkeit.
Oase im Gefängnis
Seit 20 Jahren ermöglicht das Justizministerium in Argentinien die Einrichtung von Abteilungen unter der Leitung von gläubigen Häftlingen; manche dieser Blocks haben sogar Sonderrechte wie längeren Hofgang. Die Wände hier sind wie im ganzen Gefängnis sauber und in Pastellfarben gestrichen, hellblau oder grün; die Küchen, Fernseher und Lautsprecher werden hier fürs Gebet genutzt. Der Unterschied? Hier ist es sicherer und ruhiger als in den anderen Blocks. Kämpfen, Rauchen, Alkohol und Drogen sind verboten; wer dagegen verstösst, riskiert, dass er in eine normale Abteilung zurückmuss.
«Wir haben Frieden ins Gefängnis gebracht. In unseren Blocks gab es noch nie Unruhen; das nützt allen, auch der Obrigkeit», resümiert Pfarrer David Sensini von «Redil de Cristo», einer der grössten Pfingstgemeinden in Rosario. Der Zugang wird kontrolliert sowohl von Vollzugsbeamten als auch von den Blockleiter-Pastoren – keiner will, dass Banden ihre Leute einschleusen.
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Quelle: Joel-News / Evangélico Digital