Rasantes Wachstum

22,6 Millionen Hauskirchen mit ca. 300 Millionen Mitgliedern

Zoom
Hauskirche in der Schweiz (Bild: Facebook @OpenHouse4Cities)
Lange belächelt oder beargwöhnt, sind sie heute zur schnellstwachsenden Gemeindeform der Welt geworden: Hausgemeinden entstehen aus vielen verschiedenen Gründen überall auf der Welt – ja, auch wegen Corona. 

Der Gemeindeforscher Wolfgang Simson («Häuser, die die Welt verändern») hat jetzt einen Status-Report «Haus-Gemeinden 2021» veröffentlicht. Obwohl Hauskirchen – ihrem Wesen nach – oft unter dem Radar laufen und unmöglich genau zu erfassen sind, zeigt er, gestützt auf «langjährige, empirische Forschung, Insider-Wissen und in einigen Fällen statistische Hochrechnung», spannende Trends und Strömungen auf, aus den sich heute Millionen dieser kleinen Beziehungsgemeinden bilden.

Bekannt ist das «grosse und historische Comeback der Hauskirchen» in China – «kurioserweise direkt nach der Vertreibung westlicher Missionare und ihres religiösen Einflusses durch Mao Zedong im frühen 20 Jahrhundert. Einige Forscher sprechen von derzeit 160‐200 Millionen Mitgliedern in wahrscheinlich mehr als 10 Millionen einzelnen Hauskirchen allein in China», so Simson.

Missionarische Gründungsbewegungen…

Der wohl wichtigste Faktor zur Entstehung von Hauskirchen sind die bewussten und gezielten missionarischen Gründungen. In Indien, Ägypten und dem übrigen Nahen Osten rechnet Simson mit ca. zwei Millionen solcher Neugründungen. Durch geschätzte eintausend «House Church Movements» (HCM) wie etwa T4T mit einer durchschnittlichen Grösse von je 3000 Hauskirchen sind weitere drei Millionen Hausgemeinden entstanden. So habe ein amerikanischer Geschäftsmann beispielsweise allein in den letzten drei Jahren in Ostafrika sechs verschiedene HCMs mit jeweils weit mehr als 1'000 Hausgemeinden gegründet.

…und «Apostolische Evangelisation»

«Eine wachsende Zahl von Evangelisten, wie etwa Torben Sondergaard (The Last Reformation, ehemals Dänemark, jetzt USA) oder Werner Nachtigal (G.O.D.: Global Outreach Day, Deutschland) verbinden immer mehr bewusst Evangelisation mit der unmittelbaren Gründung von Hausgemeinden. Das GO-Movement hat beispielsweise die Gründung von über 30'000 neuen Hausgemeinden in Kuba in den letzten Jahren gemeldet» führt Simson weiter aus.

Der Missionsstratege Curtis Sergeant – früher u.a. in China aktiv – hat ein webbasiertes Projekt zur «flächendeckenden Haus‐Gemeindegründung» (www.zumeproject.com) ins Leben gerufen. Das Projekt plant, eine «einfache Gemeinde» für je 5'000 Menschen in den USA und für je 50'000 Menschen weltweit zu gründen. Das Trainings‐Material ist derzeit in mindestens 37 Sprachen verfügbar. Allein in den letzten 10 Jahren haben Curtis Sergeant und seine Partner 16 Millionen Taufen registriert.

Kirchenaussteiger und «politisch inkorrekte Gruppen»

Neben den missionarischen Gründungen spielt bekanntlich auch eine Kirchen- (eher System-) Müdigkeit eine grosse Rolle beim Entstehen neuer hauskirchenähnlicher Gruppen und Strukturen. So gibt es allein in den USA 1,5 Millionen «Half Way Houses» für kirchliche Aussteiger. Bereits im Jahr 2015 registrierte der Soziologe Josh Packard 65 Millionen Menschen, die Christus nachfolgen, aber nicht mehr in klassische Gemeinden gehen. Simson: «Manche nennen sich 'Doners', weil sie zwar mit der Kirche fertig (done!) sind – aber nicht unbedingt mit Gott. Etwa 20 Prozent von ihnen – also etwa 13 Millionen Menschen – organisieren sich in meist kleinen Gruppen (6‐10 Personen) in etwa 1,5 Millionen Hausgemeinden oder 'Half Way Houses' (Treffen aller Art für Nicht‐mehr‐Kirchgänger).»
Aber nicht nur in den USA gibt es Millionen von Gemeinde-Aussteigern: «In vielen Ländern des kulturellen Westens ausserhalb der USA wie z.B. Australien oder Grossbritannien beobachten wir sehr ähnliche Gemeindefluchtbewegungen, die sich teilweise in Hauskirchen organisieren. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch in Südafrika, Korea, Singapur oder Israel. Die meisten haben nicht den Wunsch, auf dem Radar von irgendjemandem zu erscheinen.»

Überhaupt schätzt Simson weitere zwei Millionen Hauskirchen, die auf keinem offiziellen Radar sind. So gründete Marcus Rose die Bewegung «Hoffnung Deutschland», die heute ca. 1000 Hausgemeinden europaweit umfasst. Oder das Beispiel Uganda, wo Riccardo Meusel (D) von ca. 20'000 neu gegründeten Dorf-/ Hausgemeinden berichtet, von denen sich viele einfach unter einem Baum treffen.

«Bleib-zu-Hause-Kirche» wegen Corona

Viele dieser Entwicklungen wurden von der Corona-Situation überlagert und z.T. verstärkt. «Während des COVID19‐Lockdowns fanden sich viele traditionelle Gemeindeglieder gezwungen, im eigenen Haus Gemeinde zu leben». Nach den Lockdown‐Phasen 2020 und 2021 habe sich ein «signifikanter Teil» der Kirchgänger neu organisiert: «viele in Nachbarschaftskirchen in den eigenen vier Wänden, manchmal mit Online‐Input. Diese Zahlen sind noch nicht vollständig erforscht, könnten aber sehr signifikant sein», so Simson. «Eines ist offensichtlich: Die Post‐Corona‐Kirche wird nicht mehr dasselbe sein wie die Prä‐Corona‐Kirche»

«Viral, anpassungsfähig und multiplizierbar»

Simson zieht den Schluss aus seinen Informationen: «Insgesamt gibt es derzeit (Mitte 2021) weltweit mindestens 22,6 Millionen Hauskirchen mit insgesamt rund 300 Millionen Mitgliedern. Sie sind, unter Berücksichtigung aller internen und kontextuellen Faktoren, das bei weitem viralste, anpassungsfähigste und multiplizierbarste Segment der Christus‐Nachfolger weltweit.» Und er prognostiziert: «Wenn ihre Zahl weiterhin mit einer sehr realistischen Rate von 20 Prozent pro Jahr wächst, haben sie das Potential, innerhalb der nächsten 15 Jahre auf eine Mitgliederzahl von mehr als 4 Milliarden Menschen anzuwachsen – während die meisten traditionellen Kirchensysteme besuchermässig insgesamt im starken Rückgang begriffen sind.»

Hier können Sie den Status-Report «Haus-Gemeinden 2021» von Gemeindeforscher Wolfang Simson herunterladen:
StatusHausGemeinden2021.pdf

Sehen Sie sich hier den Livenet-Talk zum Thema Hauskirchen an, der vom Autor dieses Texts, Reinhold Scharnowski, moderiert wurde:

Zum Thema:
Gerade in Krisenzeiten: Livenet-Talk: Renaissance der Hauskirchen?
Hauskirchen plötzlich «in»: Weltweit: Corona als «harte Chance für Kirchen und Christen»
Trotz Verfolgung und Covid: Indien: 2020 so viele Hauskirchen gegründet wie jahrelang nicht

Datum: 20.08.2021
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: «Status Report Haus-Gemeinden 2021» von Wolfgang Simson

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich neu, um diesen Artikel zu kommentieren.
Anmelden
Mit Facebook anmelden

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...

Adressen

CGS ECS ICS

Ratgeber

Zielbewusst und entspannt Gute Vorsätze für 2023
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt...