Zuflucht in Hauskirchen
Aufatmen der evangelischen Christen in Tigray
Während der Einmarsch äthiopischer Truppen in Tigray viel Leid verursacht, verbessert sich die Lage für die evangelischen (Haus-)Kirchen, denen unter dem Separatistenregime die Schliessung drohte.
In Tigray, der abtrünnigen Landschaft im Norden Äthiopiens, herrschte anfangs allen Kriegsgräueln zum Trotz auch Erleichterung über das Eingreifen der Zentralregierung von Addis Abeba. Nicht zuletzt bei freikirchlichen Christen. Sie blieben dort von der sonstigen «Protestantenbefreiung» der letzten drei Jahre unter dem äthiopischen Premier Abiye Ahmed ausgeklammert. Einen Grund für seine Militärintervention in Tigray bot dessen Gesetz zur Erneuerung des Glaubensmonopols der «Tewahedo»-Orthodoxen. Evangelikalen Hauskirchen stand ihre Schliessung bevor.
Hauskirchen bieten Zuflucht
Mit dem Überhandnehmen von Ausschreitungen durch äthiopische Truppen wie die Tigray-Milizen sind diese Hauskirchen fast einzige Zufluchtsorte von Zivilisten, Frauen, Kindern und Alten geworden. Pfingstchristen von der «Full Gospel»- oder «Paradise»-Kirche fragten nicht nach der Konfession der von ihnen Aufgenommenen und Versteckten. Hingegen wurden orthodoxe, katholische und auch lutheranische Kirchengebäude durch die eine, bald die andere Kriegspartei zerstört. So ging das ein halbes Jahr, unbeachtet vom Rest der Welt.
Ein letzter Widerstand von Tigrays Separatisten hat sich seit März 2021 an der Grenze zu Eritrea formiert. Dort glaubten sie, wenigstens ihren Rücken frei zu haben. Inzwischen zeigte sich aber, dass der äthiopische Ministerpräsident Abiye Ahmed dank seines Ausgleich mit dem eritreischen Erbfeind nicht nur den Friedensnobelpreis von 2019, sondern auch einen neuen Verbündeten gewonnen hat: Eritreer sind in Tigray einmarschiert, um Seite an Seite mit den Äthiopiern niederzukämpfen, was vom Aufbegehren gegen die Zentralregierung von Addis Abeba noch übrig blieb.Erleichterung durch den Pfingstchristen Abiye
Nach neuesten Berichten geht es dabei nicht ohne Massaker an Zivilisten und Vergewaltigung von Frauen ab. Für die Menschen in Tigray ist es nur ein schwacher Trost, dass das Zusammenspiel der altkommunistischen Führung Eritreas mit dem äthiopischen Pfingstchristen Abiye wenigstens zu Erleichterungen für die eigenen, verfolgten Evangelikalen führt: 36 Angehörige von Freikirchen wurden am 12. April nach oft jahrelanger Haft gegen Kaution freigelassen. 14 von ihnen aus dem berüchtigten Arbeitslager auf der Rotmeer-Insel Dahlak.
Diese Inselgruppe hatte in den 1970er und 1980er Jahren den Sowjets und ihrem eritreischen Satellitenregime als Marinebasis und «Archipel Gulag» gedient. Auch das, was jetzt die freigelassenen Christen in der Hauptstadt Asmara von Sonnenglut, Trinkwassermangel und Misshandlungen berichten, übersteigt jede Vorstellungskraft. Wenigstens dürfte sich die Lage der bisher von Machthaber Isayas Afiwerke völlig als Freiwild behandelten Evangelikalen in Eritrea nun durch seine Achse mit dem pfingstbewegten Abiye Ahmed in Addis Abeba spürbar verbessern.
Endlich Hilfe
Langfristig eröffnen sich auch für die Menschen von Tigray und die «Pente» unter ihnen, wie alle Evangelikalen genannt werden, wieder materielle und religiöse Voraussetzungen für eine bessere Zukunft. Erstmals nach sechs Monaten darf internationaler Beistand wieder ins Land. Und er wird dringend gebraucht. So berichtet Hilfskoordinatorin Valerie Neuhold-Maurer aus dem zerbombten Mekele: «Da klagen Kinder mit Schusswunden, die nicht versorgt werden können. Die Strom- und Wasserversorgung ist zusammengebrochen, medizinische Einrichtungen und viele Schulen wurden zerstört.»
Radikale Orthodoxie am Boden
Aber auch vom überheblichen Nationalismus des Tigray-Volkes und seinem besonders radikalen Flügel in der äthiopisch-orthodoxen Kirche sind nur mehr Ruinen übrig. «Ausgeschlägert» haben die Protestantenjäger vom kirchlichen Jungvolk «Mahibere Kidusan». Die pfingstkirchliche Botschaft aus Addis Abeba verspricht nun auch in Tigray zu greifen und dort die Wunden des Krieges zu heilen: «Gott will das Gedeihen aller Äthiopier», bekräftigt Pfingstprediger Nigusse Roba aus der Umgebung von Premier Abiye: «Er beendet unsere Not, wenn wir uns ihm nur nicht selbst verschliessen.»
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet