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Erstes Mal seit 1'000 Jahren: Papst trifft russisch-orthodoxen Patriarchen
Was Jahrhunderte nicht schafften – die Bedrohung der Christen im Nahen Osten durch IS bringt es zustande: Papst Franziskus ist auf seiner Reise nach Mexiko abgebogen und hat am 12. Februar in Kuba (!) den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill von Moskau und ganz Russland zu einem Gespräch getroffen. Hauptthema: Der Genozid an Christen im Nahen Osten.
Druck ist grösser als Zankäpfel
Im Unterschied zum orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel war den Vorgängern von Papst Franziskus von der russischen Führung und der ihr hörigen Kirche ein solches Gespräch immer wieder verwehrt worden. Mehr als 30 Jahre lang hiess es aus Moskau, erst müsse der Vatikan aufhören, auf dem «kanonischen Territorium» um orthodoxe Gläubige zu werben – sprich: katholische Mission in orthodoxen Ländern zu betreiben. Auf der anderen Seite ist die russische Behandlung katholischer Christen in der Ukraine ein Stein des Anstosses – obwohl Papst Franziskus sich hier nie eine Stellungnahme entlocken liess. Das mag in Russland bemerkt worden sein und zur Bereitschaft beigetragen haben, nun ein solches Gipfeltreffen zu veranstalten.
Was aber wichtiger als die Differenzen war: der Schutz der Christen im Nahen Osten ist beiden Seiten ein brennendes Anliegen. «Obwohl viele Probleme in den Beziehungen zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Römisch-Katholischen Kirche ungelöst sind, ist der Schutz der Christen im Nahen Osten vor Genozid eine Herausforderung, die dringende gemeinsame Anstrengungen erfordert», sagte Vladimir Legoida, Sprecher der Russisch-Orthodoxen Kirche. «Der Exodus von Christen aus Ländern des Nahen Ostens und von Nordafrika ist eine Katastrophe für die ganze Welt.»
Gegen die «Grösste Bedrohung der Kirche»
Studien zeigen, dass islamistischer Extremismus die grösste Bedrohung der Kirche ist. Die Zahl der Märtyrer hat sich mit 4'344 im Jahr 2014 auf über 7'000 im Jahr 2015 fast verdoppelt. Angesichts dieser Tatsache sprach Franziskus an einem evangelischen Seminar in der Zentralafrikanischen Republik im letzten Dezember von einer «Ökumene des Blutes»: «Gott macht keinen Unterschied zwischen denen, die leiden. All unsere Gemeinschaften leiden ohne Unterschied als Ergebnis von Ungerechtigkeit und blindem Hass, ausgelöst durch den Teufel» Und im letzten Juli sagte er angesichts der Enthauptung von 21 koptischen Christen durch islamische Extremisten: «wenn die, die Jesus Christus hassen, einen Christen töten, dann fragen sie nicht, ober er Lutheraner, orthodox, evangelikal, Baptists oder Methodist ist. Und wenn der Feind uns im Tod vereint, wer sind wir, uns im Leben so zu zertrennen?»
Die orthodoxen Kirchen sind seit der Kirchenspaltung 1054 eigenständig. Damals hatten sich die Oberhäupter der Ostkirche in Byzanz und der Westkirche in Rom gegenseitig exkommuniziert. Die «orthodoxe Welt» ist heute in mehr als eine Dutzend unabhängige Kirchen zersplittert. Grösste ist die Russisch-Orthodoxe Kirche mit – nach eigenen Angaben – rund 150 Millionen Gläubigen. Mindestens Papst Franziskus hat offenbar Respekt vor dem Treffen. Am Sonntag auf dem Petersplatz bat er jedenfalls die Gläubigen, ihm auf der heiklen Mission beizustehen: «Ich bitte euch, betet für mein Treffen in Havanna mit meinem lieben Bruder Kyrill.»
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet
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