Pfarrermangel
Kirche muss neue Wege in der Ausbildung wagen
Pfarrer Jürg Buchegger, Vizepräsident des Landeskirchenforums, fordert die Verantwortlichen in den Kirchen auf, endlich mutiger zu werden, wenn es um den künftigen Pfarrernachwuchs geht.
Wenn selbst die Tagesschau vom 4. Mai das Thema aufnimmt, muss es wirklich brennend sein. Dass unsere Kirchen auf einen Pfarrermangel zugehen, wissen wir seit einigen Jahren. 2011 haben noch 21 Theologen und Theologinnen das Lernvikariat abgeschlossen. Ob alle in den Gemeindedienst gegangen sind und dort auch bleiben, weiss ich nicht. Gleichzeitig wurden 59 Pfarrer pensioniert. Ab 2018 wird es jährlich 30 Ordinationen geben, denen 65-80 Pensionierungen gegenüber stehen. Selbst wenn die Kirche schrumpft (womit man eigentlich nicht spekulieren soll, sonst hat man bereits die Segel gestrichen), werden wir in einigen Jahren ein Problem haben, genügend Pfarrerinnen zu finden.Schwierige Ursachenforschung
Die Gründe dafür sind hier nicht im Detail zu erörtern: Die Kirche als unsicherer und wenig attraktiver Arbeitgeber? Gesunkenes Sozialprestige oder ein unklares Berufsbild? Zu hohe Verbindlichkeit? Die Kirchenleitungen, die Kirchgemeinderäte und Kirchenpflegen werden sich gewissen Fragen stellen müssen. Das auch!
Aber es sind neue Ideen gefragt: Die Synode BE-JU-SO hat 2013 wieder einen Sonderkurs zum Master in Theology für Akademiker lanciert. Man spricht von drei Jahren Studium. Den gleichen Kurs gab es bereits in den 1980er Jahren. Im Konkordatsgebiet ist ein Quereinsteigerkurs (QUEST) geplant, der noch auf Widerstand stösst. Studenten, die das Vollstudium absolvieren, sehen darin eine Schnellbleiche. Die Zürcher Theologische Fakultät liess verlauten, dass man es zwar als wünschenswert erachte, mehr Studierende zu haben, aber der QUEST zu oberflächlich sei.
Kirchen sollten klar Position beziehen
Die Kirchen sollten sich fragen, ob sie bestimmen, was für Pfarrer/innen sie haben wollen, oder ob andere das für sie tun. Vor einem Jahr habe ich in einem Leserbrief die Kirchen aufgefordert, innovative Ideen zu lancieren. Dazu könnte eine gezielte Ausbildung für das Pfarramt mit all seinen praktischen Bezügen gehören (Master of Theology in Ministry). Daneben gäbe es das Vollstudium als Master of Theology, das zu akademischer Forschung berechtigt.
Interessant war eine Reaktion aus der Theologischen Fakultät Zürich. Während Vikare nach England reisen, um «fresh expressions» anzusehen, warf man mir vor, ich hätte etwas gegen gründliche Theologie. Nun kennt gerade die anglikanische Kirche seit langem eine «mixed economy»: Traditionelle Pfarrerausbildung und Förderung von Leitern neuer Gemeindemodelle. Will die Kirche neue Ausbildungslehrgänge oder nicht?
Wie akademisch muss der Pfarrer der Zukunft sein?
Weiter könnte Diakonen und Jugendarbeiterinnen der Einstieg ins Pfarramt mit einem Brückenangebot ermöglicht werden. Das gibt es erst vereinzelt. Jugendarbeiterinnen, die eine theologische Grundausbildung haben, die sich in der Gemeindearbeit bewährt, die ihre Kirche gern haben, könnten sehr gute Pfarrerinnen werden. Ich höre wieder rufen: Ein Pfarrer muss Akademiker sein! Gewiss ist das nicht zu verachten und ich selbst treibe leidenschaftlich gerne Theologie – auch noch im Pfarramt –, aber ist das wirklich eine zukunftsweisende Antwort im Umbruch der heutigen Kirchenlandschaft? Ich wünschte mir mehr Mut für neue Wege in den Kirchenleitungen und weniger reflexartige Abwehr und konservatives Verharren in alten Strukturen.
Pfr. Dr. Jürg Buchegger ist Pfarrer in Frauenfeld, Vizepräsident des LKF und Pro-Rektor der STH Basel.
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Autor: Jürg Buchegger
Quelle: Landeskirchenforum