Einschätzung der UN
Religionsfreiheit: Bewegt sich etwas?
Ahmed Shaheed ist UN-Sonderberichterstatter zur Religions- und Glaubensfreiheit. In dieser Funktion veröffentlicht er regelmässig Einschätzungen, wie es weltweit um die Freiheit steht, seinen Glauben auszuüben und zu wechseln.
Wie steht es eigentlich um die Religionsfreiheit? «Viel zu gut», behaupten manche, «radikalen Islamisten zum Beispiel müsste man früher das Handwerk legen und sie ausweisen können.» Andere stellen fest: «Noch nie wurden so viele Menschen – gerade auch Christen – aufgrund ihrer Religion verfolgt. Wir brauchen mehr Religionsfreiheit.»Ahmed Shaheed (56) kennt Argumente wie diese. Er versucht immer wieder, Zahlen, Informationen und ganz persönliche Einblicke zu bekommen, um sein Amt als UN-Sonderberichterstatter zur Religions- und Glaubensfreiheit ausführen zu können. Der Diplomat und ehemalige Aussenminister der Malediven hat dabei die ganze Welt im Blick.
Gleichzeitig kennt er das Thema auch aus persönlicher Anschauung: Sechs Jahre lang war er als Menschenrechtsbeobachter im Iran. Und in seiner Heimat wird er wegen seines Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte als «Abtrünniger vom Islam» bezeichnet.
«Es wird schlimmer»
Das Pew-Forschungszentrum in den USA stellte in seinem aktuellen Bericht fest, dass weltweit die Einschränkungen von Gläubigen zunehmen. Inzwischen 28 Prozent aller Nationen (also 56 Staaten) würden die Religionsausübung besonders von Minderheiten massiv beschneiden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der letzte Weltverfolgungsindex von «Open Doors», der sich auf verfolgte Christen fokussiert. Darüber hinaus skizzierte Shaheed in einem Gespräch mit Jayson Casper von «Christianity Today» weitere Details der letzten Monate.
Auswirkungen der Pandemie
Natürlich hat die andauernde Covid-19-Pandemie Auswirkungen auf jeden Lebensbereich – aber eben auch auf die Religionsfreiheit, wie Shaheed bemerkt. Er sieht vor allem drei Auswirkungen: Erstens wurden stellenweise die Begräbnisriten bei Menschen, die an oder mit dem Virus gestorben sind, ignoriert. Zweitens wurden Juden, Christen oder Muslime, wo sie in der Minderheit sind, als Sündenböcke für die Pandemie angegriffen – stellenweise erhielten sie deswegen keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Drittens ist im Zuge der Pandemie weltweit ein Ansteigen des Antisemitismus zu beobachten.
Von der Empfehlung zur Ächtung
Shaheed beschreibt weiter, dass der Einfluss der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen wächst. Er selbst ist kein direkter UN-Mitarbeiter, sondern unabhängiger Mandatsträger. Er besucht verschiedene Nationen – wenn sie ihn einladen. Er reagiert auf Bitten und Anklagen, indem er Handlungsempfehlungen ausspricht. Doch ein völlig «zahnloser Tiger» ist er dennoch nicht. Unter der Trump-Regierung gründeten die USA die «International Alliance for Religious Freedom and Belief» (Internationale Vereinigung für Religionsfreiheit und Glauben) mit bisher 30 Mitgliedsnationen. Und so manche Kritik wird anders aufgenommen, wenn Staaten wie die USA dahinterstehen.
Ethische Streitfragen
Im Interview lobt Shaheed die Zusammenarbeit mit der Weltweiten Evangelischen Allianz, die er als konstruktiv und hingegeben bezeichnet. Er sei auf solche Partner angewiesen, unterstreicht er, denn «ich bin nur eine Ein-Mann-Unternehmung (…) und sie werten meine Arbeit auf und erhöhen die Reichweite».
Dabei macht er deutlich, dass er gegen jegliche Unterdrückung ist: Fragen wie die der Frauenrechte, der Abtreibung oder einer Ehe für alle werden kontrovers diskutiert – innerhalb von Religionsgemeinschaften und darüber hinaus. Sie dürfen nach Shaheeds Dafürhalten allerdings nie ein Alibi zur Ausgrenzung von Minderheiten werden.
«Ein Tropfen auf den heissen Stein»
Gerade in islamischen Ländern sieht der UN-Sonderberichterstatter eine deutliche Entwicklung. In vielen Regionen gab es in den letzten Jahren Konferenzen, Besprechungen und Absichtserklärungen, die deutliche Veränderungen zum Ziel hatten. Die meisten haben aber noch keine gesetzlichen Änderungen bewirkt. Zu dieser Umsetzung benötigen viele nicht nur Zeit, sondern auch konkrete Hilfe.
Als Fazit seiner inzwischen vierjährigen Arbeit stellt Ahmed Shaheen fest: «Es gibt keine schnellen Lösungen.» Aber aus seinem Mund klingt das bekannte Statement, dass die bisherigen Aktionen wie ein Tropfen auf den heissen Stein waren, sogar nach Hoffnung.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Christianity Today