Burkina Faso unter Schock
Lange Zeit friedlich, doch jetzt fliesst das Blut der Christen
Lang galt Burkina Faso als Muster für friedliches Zusammenleben von verschiedenen Religionen. Doch an den beiden letzten Sonntagen haben Terroristen in der einst französischen Kolonie christliche Gottesdienste überfallen und Pfarrer ermordet.Pfarrer Pierre Ouedraogo war glücklich, als er Ostern mit seiner reformierten Gemeinde unter dem neuen Kirchendach aus Wellblech feiern konnte. Sogar dieses Hauptbaumaterial von ganz Schwarzafrika war im kleinen Silgadji in der kargen Sahel-Steppe von Nord-Burkina Mangelware. Nach Jahren von Gottesdiensten bei Regen wie in einer Tropfsteinhöhle hatten Spenden aus Deutschland und der Schweiz die wirksame Bedachung möglich gemacht. Am Sonntag danach predigte der Pastor wenige Tage vor dem Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Hauptstadt Ouagadougou noch dankbar von der Hilfsbereitschaft deutschsprachiger Glaubensgeschwister.
Mit Mopeds und Maschinenpistolen
Das Knattern heranrollender Mopeds und dann die peitschenden Salven von Maschinenpistolen unterbrachen jäh die Worte des Predigers. Er selbst, zwei seiner Kinder und fünf Kirchgängerinnen waren auf der Stelle tot, andere krümmten sich schwer verletzt am Boden. Sie wurden von den vermummten Terroristen abgeknallt. Nur, wer sich tot stellte, entging den gnadlosen «Gnadenschüssen» der Dschihadisten. Die brüllten noch den islamischen Kriegsruf «Allahu Akbar«, dann verschwanden sie in einer Wolke von Krach und Staub.
Wiederholungstäter am Werk
Einen Sonntag später kamen Katholiken an die Reihe. In derselben Manier wie bei den Reformierten überfielen islamische Terrormilizen die katholische Missionskirche von Dablo in der Provinz Nord-Zentrum. Sechs Tote blieben auf der Strecke. Damit nicht genug überfielen die Moped-Mörder am 14. Mai im nahegelegenen Zimtenga eine Marienprozession, zerschossen die Statue und richteten die vier Träger des Bildes als Götzendiener durch Erschiessen hin. Weitere Teilnehmer an dem Umzug wurden verschleppt, nur ein paar Kinder nachträglich frei gelassen.
Ausser Kirchen noch Schulen betroffen
Insgesamt sind seit Anfang des Jahres über 150 Menschen bei Angriffen von Islamisten umgekommen. Diese werden in Burkina Faso nicht der mit dem «Islamischen Staat» (IS) verknüpften «Boko Haram» wie im nahen Nigeria oder Tschad zugerechnet. Diese Terroristen sind Ableger der Al-Kaida Tochter AQMI, die über Mali aus Algerien eingesickert ist. Schon im Winter gingen zwei tote Pfarrer auf ihre Rechnung. Wie «Boko Haram» gehen die Dschihadisten von Burkina Faso aber auch gegen Schulen vor, weil diese westliche und damit christliche Bildung vermitteln. Nach der Ermordung von fünf Lehrern haben bereits 954 Schulen im ganzen Land aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Es war einmal: Toleranz
Burkina Faso steht unter Schock. Auch dem christlich bei den Schulbrüdern erzogenen Präsidenten, dem Bankier Rochus Markus Kaboré hat es die Sprache verschlagen. Zwar war das damalige Mossi-Reich Ober-Volta im 19. Jahrhundert einer der Sahelstaaten, von dem der «Grosse Dschihad» gegen die vordringenden französischen Kolonialherren geführt wurde. Dann bekamen jedoch friedfertige Sufi-Orden mit ihren Marabut-Einsiedlern wieder die Oberhand. Burkina Faso erhielt, wie Kardinal-Erzbischof Philippe Ouédraogo von Quagadoudou sagt, «einen kulturellen Aspekt, der Toleranz schafft». Nicht einmal die Schreckensherrschaft des roten Gewalttäters Thomas Sankara zwischen 1983 und 1987 hatte daran in Sachen Religion etwas geändert.
Missionare kamen vor dem Islam
Von den sieben Millionen Einwohnern des Landes am Oberen Volta und seinen Zuflüssen sind rund 70% Muslime und 30% Christen, von ihnen wieder ein Sechstel Evangelische. Der Islam ist erst im 18. Jahrhundert, nach den ersten christlichen Missionaren, in die Sahelzone gekommen. Grösste evangelikale Gemeinschaft im Rahmen der «Welt-Allianz» sind die Pfingstgemeinden der Assemblies of God mit etwa 800 000 Mitgliedern. Der «Bund der Evangelisch-Reformierten Kirchen in Burkina Faso», der auch dem Weltkirchenrat in Genf angehört, ist 40 000 Anhänger stark. Diakonisch sind gerade die Evangelischen um die Bekämpfung der Dürre bemüht, die für die fast ausschliesslichen Viehzüchter und Ackerbauern ihr Hauptüberlebensproblem darstellt. So bringt ihnen Jesus auch Leben. Den Islamisten ist das ein Dorn im Auge...
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet