Ein Jahr am Zoll blockiert
Jetzt dürfen Schweizer Hilfs-LKW wieder fahren
Wind of Change? Ein Jahr lang war eine Lastwagen-Ladung des Schweizer Werks «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» von den ukrainischen Behörden blockiert gewesen. Jetzt, unter der neuen Landesführung mit einem Baptistenpastor an der Spitze, können die Hilfsgüter ausgeliefert werden.
«Die dringend benötigten Second-Hand-Kleider waren ein Jahr blockiert», bilanziert Linus Pfister, Geschäftsführer des Hilfswerks «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» in Thun. «Wir wussten nie, woran es liegt. Immer wieder verzögerte der Zoll und wollte immer wieder neue Papiere sehen.» Dies notabene bei einer Lieferung, wie sie das Werk seit vielen Jahren leistet. «Weil die Hilfsgüter im Zolllager blockiert waren, wollte er plötzlich auch noch Lagergebühren einfordern.» So «geschmiert» hätte sich die Maschinerie vielleicht bewegt. Doch für Pfister war dies keine Option. «Wir zahlen nicht, weil es nicht unser Fehler ist. Und es kann nicht sein, dass Hilfswerken Geld abgepresst wird. Das Risiko ist dann, dass es manchmal länger dauert.»Kaum ist die korrupte Führung verjagt und ein Baptistenpastor an der Spitze der Übergangsregierung, werden die Armen nicht mehr vergessen. «Knall auf Fall ist die Lastwagen-Ladung – es sind immerhin über 10 Tonnen oder 95 Kubikmeter Hilfsgüter – frei geworden. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Die Frage ist, ob nun wieder im grossen Stil Versorgung geschehen darf. Denn landesweit sind in der Ukraine seit mehreren Monaten rund 500 Hilfsgütertransporte diverser Hilfswerke aus mehreren westeuropäischen Ländern blockiert. Alles Verhandeln auf höchster diplomatischer Ebene hat bisher nichts gebracht. Nun hoffen und beten wir, dass weitere Hilfsgüter freigegeben werden. Die Zeichen sind hoffnungsvoll.»
Willkürlich verhaftet
Vor zwei Wochen besuchte Linus Pfister die Ukraine selber. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Majdan-Platz besetzt; unermüdlich forderten die Demonstranten den Abgang der korrupten Regierung. «Es war gerade ein paar Tage vor der Eskalation, bevor der Platz gestürmt wurde.»
Spürbar sei die Angst in der gesamten Bevölkerung gewesen. Hautnah habe er miterlebt, wie ein Regierungsgebäude von zivilen Polizisten in einem Schauspiel gestürmt worden sei. Wie auf Kommando hätten dann die Schlägertrupps das demolierte Gebäude verlassen und Polizisten in Uniform hätten nun normale Passanten verhaftet und sie beschuldigt, den Behördensitz verwüstet zu haben. Auf diese Weise wollte die Regierung anschliessend Anti-Terror-Massnahmen erlassen, um härter gegen die Demonstranten loslegen zu können. «Auch eine befreundete christliche Familie war betroffen. Ihr Sohn, ein Teenager, gehörte zu den willkürlich wegen Rowdytums verhafteten. Wie bei anderen forderte die Regierung ein «Bussengeld» in der Höhe eines ukrainischen Jahreslohnes.» Es darf nun gehofft werden, dass die Anklage wegen «Rowdytums» gegen den Jungen ganz fallen gelassen wird (eine mögliche Strafe betrüge 7 bis 10 Jahre Haft).
Ex-Sowjetischer Frühling
Erst vor kurzem wurde bekannt, dass sich die Regierung unter dem inzwischen abgesetzten Präsidenten darauf vorbereitet hatte, mit Berkut-Sondereinheiten, weiteren Spezialtruppen des Innenministeriums, Scharfschützen sowie rund 20'000 Angehörigen der regulären Polizei die Demonstranten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz zusammenzuschiessen. «Das Ende der Gewalt ereignete sich eine Minute vor zwölf. Warum es nicht zu diesem unglaublichen Gewaltakt gekommen ist, ist unbekannt.»
Jetzt sei er vorsichtig optimistisch. «Wir hoffen, dass sich nun eine Zivilgesellschaft durchsetzt. Sie soll eine Regierung wählen, kontrollieren und nötigenfalls auch wieder abwählen können. Andere ehemalige Sowjetstaaten sind noch nicht so weit entwickelt.»
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet