Vom Frust zur Vision

Enttäuscht von der Kirche – eine Tagung

Christen, die davon träumen, Gemeinschaft «ausserhalb bestehender kirchlicher Strukturen und Vorstellungen zu pflanzen und zu leben», treffen sich am kommenden Sonntag, 28. November 2010, zu einer Tagung in Zürich. Die Veranstaltung ist auch gedacht für kirchen- und gemeindefrustrierte Menschen.
Die Veranstaltung, ein von Gemeindegründer Florian Bärtsch lancierter «Visionstag», reagiert auf eine Entwicklung, über die bisher wenig gesprochen wird. Gerade Freikirchen ist es peinlich, dass sich viele engagierte und einsatzwillige Mitglieder auf- und davonmachen. Was sie „draussen“ erleben wird Christof Brux in Zürich schildern. Florian Bärtsch ist überzeugt: «Seit jeher braucht Gott gewöhnliche Leute, um auf aussergewöhnliche Weise sein Reich zu bauen.»

Weg von der Gemeinde

Erste Zahlen zu dem Exodus aus denGemeinden kommen aus den USA, wo Religion noch mehr zum gesellschaftlichen Leben gehört. In weniger als 20 Jahren hat sich der Anteil der Religionslosen bis zum Jahr 2008 fast verdoppelt und beträgt jetzt 15 Prozent. Bei den 18-29-Jährigen gaben sogar 22 Prozent an, sie hätten keine Religion. Laut der Umfrage stammen drei von vier ehemaligen Christen aus religiösen Familien. Religionssoziologen sehen eine «alarmierende Ausstiegsrate», die fünf- oder sechsmal höher sei als früher. Nach Schätzungen verlassen 70 oder 80 Prozent der jungen Amerikaner, die Gemeinde, in der sie aufgewachsen waren.

Weg aus dem alten Umfeld …

Drew Dyck, Autor des Buchs Generation Ex-Christian, verweist im Internetdienst von «Christianity Today» auf neue Forschungen. Ihnen zufolge geben zwei von drei jungen Amerikanern an, dass sie sich einmal für Christus entschieden hätten. «Die meisten ungläubigen Aussenstehenden sind alte Freunde, die Anbeter von gestern, Kinder, die einst zu Jesus beteten.»

Der Soziologe Bradley Wright beschwichtigt: Schon frühere Generationen hätten sich beim Erwachsenwerden von der Kirche distanziert, um ihr bei der Familiengründung wieder beizutreten.

… und länger auf Distanz

Dyck folgert: «Wir haben die langwierige, aber fruchtbare Arbeit vor uns, Beziehungen zu bauen zu denen, die den Glauben hinter sich gelassen haben.» Ohne den Schwarzsehern zu folgen, mahnt er, die Unterschiede zu früher zu beachten: Familiengründung und Nachwuchs haben sich zeitlich verschoben, im Konkubinat ändern sich Werte.
Nach zwei bis drei Jahren zurückzukommen falle viel leichter, als den Zugang nach über einem Jahrzehnt wieder zu finden, schreibt Dyck. Zudem habe sich die «kulturelle Schwerkraft», die frühere Generation zur angestammten Religion zurückgezogen habe, «im pluralistischen nachchristlichen Amerika abgeschwächt oder gänzlich verflüchtigt».

Option mit mehr spiritueller Macht

Der Autor, der zahlreiche Ex-Christen interviewte, lernte auch Hexer kennen. Einer sagte ihm, in der Wicca-Religion gefalle ihm, dass die Geister und Götter sich dem Willen der Hexer fügten. Die meisten Wicca-Anhänger seien zuvor Christen gewesen.

Dyck konstatiert, dass gemeindeinterne Ereignisse oft als Auslöser für den Ausstieg genannt werden. Regelmässig stiess oberflächliche Religiosität die jungen Christen ab. Viele hatten zuvor einen Wohlfühl-Glauben mitbekommen und konnten mit schwierigen Situationen nicht umgehen.

Was tun?

Dyck rät betroffenen Christen, Gemeindeverantwortlichen und Angehörigen, sich nicht vom Schmerz mitreissen oder lähmen zu lassen. Sie sollten weder urteilend über Ex-Gläubige herfahren noch sich von ihnen zurückziehen. Und vor allem auf Zweifel nicht harsch oder herablassend reagieren.

Niederschwellige Formen von Jugendarbeit dürften nicht dazu führen, daß der eigentliche Glaubensunterricht aufgegeben würde. Skepsis und Zweifel, so Dyck, sind oft anzusehen als «die gequälte Sprache religiöser Sehnsucht».

Zum Thema:
Internetseite des «Visionstages»
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Datum: 25.11.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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