Chronologie neu überdenken

Fand der Exodus Israels früher statt?

Bisher kannten Ägyptologen nur eine einzige Erwähnung Israels. Die Entdeckung einer zweiten, deutlich älteren wirft Fragen auf: Fand der Exodus aus Ägypten doch statt und wann genau erfolgte er?

Wie die Wissenschaftzeitung «spektrumdirekt» berichtet, lagert im Berliner Ägyptischen Museum eine lange übersehene Kostbarkeit. Auf einem verwitterten Granitblock haben sich in Hieroglyphenschrift drei Namen erhalten – zwei sind gut lesbar, der dritte an den entscheidenden Stellen zerbröselt. Doch die Forscher sind überzeugt: Er lautet «Israel».

Bekämen sie Recht, steht der Erforschung der Geschichte eine «schwer zu toppende Sensation» ins Haus, meint Stefan Wimmer, Ägyptologe von der Universität München: Nicht nur weil man bislang überhaupt nur eine einzige solche Inschrift kannte, sondern auch weil das Relief in einer Zeit entstanden sein muss, in der man glaubte, dass Israel noch gar nicht existierte.

Neu überdenken

Die Konsequenzen einer solchen Deutung wären weitreichend. Alles müsste neu überdacht werden. Vielleicht ist die Geschichte über die Flucht der Israeliten aus Ägypten doch wahr, spekulieren die Wissenschaftler. Dass Israeliten aus ägyptischer Gefangenschaft auszogen und sich nach langer Wanderschaft in Kanaan zu einem israelischen Volk zusammenschlossen, wie die Bibel berichtet, galt für die Mehrheit der Wissenschaftler bisher als unwahrscheinlich.

Die Art und Weise wie die Ägypter die drei fein säuberlich nebeneinander angeordneten Namen festhielten, gibt den entscheidenden Hinweis auf das Alter der Inschrift. Leider ist der Name Israel auf diesem Stein zum Teil zerstört und das hinterlässt Unsicherheit. Mit der Wiederentdeckung der Berliner Inschrift bekommen trotzdem alternative Szenarien Aufwind. Der Ägyptologe und Schriftexperte Manfred Görg bemerkte als Erster, dass der Name als «Israel» gelesen werden könnte. Auch dass die Inschrift aus einem viel zu frühen Jahrhundert zu stammen schien, fiel auf.

Wann entstand die Inschrift?

Der eigentliche Knackpunkt ist das Alter des Reliefs. Die eigentümliche Schreibweise lässt den Forschern nur zwei Interpretationen offen: Entweder der Schreiber bediente sich – aus welchen Gründen auch immer – einer damals schon archaischen Schreibung. Oder aber der Schreiber stammte noch aus einer Zeit der frühen 18. Dynastie, also den Jahren 1540 bis 1400 v. Chr. Doch leider gibt es keine naturwissenschaftlichen Datierungsverfahren, die den Fall eindeutig entscheiden könnten.

Auch Kritiker sagen: Wenn der Exodus irgendeinen wahren Kern haben kann, dann nur, wenn Auszug und Landnahme deutlich früher stattfanden. Ob nun, auf Grund der Analysen ein solches Umdenken stattfindet, ist offen.

Zurückhaltung

Die Ägyptologie hat bisher mit erstaunlich wenig Kritik reagiert. Der Grund für die Zurückhaltung könnte in der politischen Dimension des Problems liegen: Die Befürchtung in den Ruf eines bibeltreuen Fundamentalisten zu geraten oder von der israelischen religiösen Rechten – die ihren Anspruch auf das «Gelobte Land» durch die alttestamentarische Überlieferung legitimieren will – vor den Karren gespannt zu werden, ist bei manchen Forschern gross. Legitime akademische Fragestellungen geraten so schnell in Misskredit oder werden gänzlich ausgeklammert, schreibt die Wissenschaftzeitung «spektrumdirekt».

Zum Thema:
Den ausführlichen Artikel aus der Wissenschaftzeitung kann hier im Internet kostenfrei gelesen werden. Darin wird auch ausführlicher auf die Fragen und Einwände zu diesem Fund eingegangen.

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Datum: 17.05.2011
Quelle: spektrumdirekt

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