Zäller Wiehnacht

Schweizer Weihnacht ist ein weltweiter Hit

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Eine Auffführung der «Zäller Wiehnacht» (Bild: Facebook)
Einst wurde für die Dorfjugend Paul Burkhards «Zäller Wiehnacht» komponiert. Sie wurde 1960 erstmals aufgeführt, und zwar in der Dorfkirche in Zell (ZH). Mittlerweile wurde sie in 20 Sprachen übersetzt. Eine 62-jährige Erfolgsgeschichte…

1'200 Besucher in der Kirche Arlesheim. Monatelang ausverkaufte Vorstellungen am Zürcher Schauspielhaus. Wo Paul Burkhards «Zäller Wiehnacht» draufsteht, stehen drinnen die Menschen sich gegenseitig auf die Füsse, schreibt die Zeitung «Schweiz am Sonntag». Auch in der reformierten Schlosskirche Grüningen wurde die «Zäller Wiehnacht» an mehreren Dezemberabenden aufgeführt. Das Krippenspiel des Theater-Komponisten ist neben den vier Kerzen auf dem Kranz quasi der fünfte Dauerbrenner zur Adventszeit. Wohl jeder Schweizer hat es zumindest auszugsweise schon gehört. Die meisten sangen als Schulkind selber «Das isch dä Schtärn vo Bethlehem» – und viele von ihnen den Rest des Werks gleich auch noch dazu.

Der Zeller-Weihnacht-Effekt

Wie der Mann neulich an der Bushaltestelle, wo ein Kind der Mutter vorsummte: «Was isch das für ä Nacht…» (Was ist das für eine Nacht…). Es stockte. Worauf der 50-Jährige einsprang und losschmetterte «…hätt eus de Heiland bracht, und us dä arme Mänsche richi gmacht!» (…hat uns der Heiland gebracht, und aus den armen Menschen reiche gemacht!) Er sei als Kind einer der Engel gewesen wegen seiner Chruseli, erzählt der Mann und zeigt lachend auf seinen kahlen Kopf, schreibt «Schweiz am Sonntag» weiter.

Vielleicht ist das der Zeller-Weihnacht-Effekt. Ein Effekt, der nicht nur «us arme Mänsche richi macht» (aus armen Menschen reiche macht), sondern aus Menschen auf dem Weg zur Arbeit fröhliche Menschen. Plötzlich ist die eigene Kindheit zum Greifen nah. Denn auch mit den vertrauten Klängen stellt sich ein Stück Weihnachtsseligkeit von damals ein.

Teil vieler Lebensgeschichten

So ist die Zeller Weihnacht nicht nur eine Schweizer Erfolgsgeschichte. Sie ist auch Teil vieler Schweizer Lebensgeschichten. Das hatte Komponist Paul Burkhard weder beabsichtigt noch erwartet, als er auf Anfrage seiner Wohngemeinde im Winterthurer Tösstal ein Krippenspiel für die Dorfjugend von Zell komponierte. Daher kommt auch der Name «Zäller Wiehnacht».

Obwohl: Der Mann hatte durchaus Erfahrung mit dem plötzlichen Hitstatus seiner Werke. Sein Chanson «O mein Papa» lief 22 Wochen lang in der Version mit dem Trompeter Eddie Calvert in der englischen Hitparade; in den USA verkauften sich innert fünf Monaten drei Millionen Single-Platten. Bis heute ist Paul Burkhard der erfolgreichste Komponist der Schweiz. Paul Burkhards Krippenspiel wurde inzwischen in mehr als 20 Sprachen übersetzt und rund um den Globus aufgeführt – in Deutschland als «Zeller Weihnacht», in den USA als «Swiss Nativity».

Mitten unter uns

Paul Burkhard ist es mit seinem Krippenspiel gelungen, die über 2'000-jährige Weihnachtsgeschichte zu einer Angelegenheit für alle zu machen. Und das, ohne sie dabei zu verbiegen. Denn die Wünsche und Bedürfnisse, die Ängste und Konflikte der Kinder spiegelt Burkhard an jenen der biblischen Figuren, erklärt «Schweiz am Sonntag». So werden aus den alten Zöpfen unversehens kindlich wippende Zöpfe – oder die zuvor erwähnten Chruseli. Und wenn der Chor singt: «Kei Muetter weiss, was irem Chind wird gescheh. Ob ihres Chind wird liide; ob mer’s gar wird beniide» (Keine Mutter weiss, was mit ihrem Kind passieren wird. Ob ihr Kind leiden wird, oder ob man es beneiden wird). Dann holt das selbst die heilige Maria aus dem weit entfernten Paradies auf die Erde. Denn hier wird keine Heilige besungen, sondern Mütter aus Fleisch und Blut – und mitten unter ihnen eine namens Maria.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dienstagsmail.ch

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Datum: 22.12.2022
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: www.dienstagsmail.ch

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