Filmtipp

Feindesliebe konkret: «Honecker und der Pastor»

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Schauspieler des Films «Honecker und der Pastor»
Wieweit ginge unsere Liebe, wenn ein expliziter Feind um unsere Hilfe bitten würde? Plötzlich kommt eine theoretisch-theologische Frage mit voller Aktualität in unser Leben. Oder wie würden wir einem Wladimir Putin begegnen, wenn er vor uns stünde?

Eine Begegnung der anderen Art verspricht uns der Streifen bei ZDF. Und für Freunde der schönen Aufnahmen und interessanten Schnitte ist er ebenso eine Augenweide. Die aufgewühlten Themen: Grenzen der Liebe, Böses unterstützen, echte Barmherzigkeit, Dienen.

Mauerfall und der Fall Honeckers

«Erich Honecker und seine Frau Margot zogen bei uns ein, nicht weil sie unsere Freunde wären, niemand in der Familie hatte Grund sie zu mögen, sondern er frisch operiert ist und sie kein Zuhause haben – und weil wir Christen sind und es Jesus nachtun wollen.»

Der Mauerfall geschah gerade, wir sind im Winter 1990.
Bereits nach zwei Minuten ist die erste Begegnung stark inszeniert; Honeckers klingeln und stehen bei der Pfarrfamilie im Türrahmen. Nachdem Erich Honecker erklärt, wie sie aus ihrem Heim rausgeworfen wurden und von offizieller Stelle keine sichere Bleibe angeboten wurde, entgegnet der Pfarrer: «Wir weisen niemanden ab – Willkommen und Gottes Segen!»

Verfolgte aufnehmen und ihnen beistehen

Sie pflegten vor dem Essen zu beten, erklärt der Pfarrer, Bürgermeister und Vater von zehn Kindern, worauf Ex-Generalsekretär Honecker mit einem «Das stört uns nicht» entgegnet. So wünschen sie eine gesegnete erste Mahlzeit, später sieht man das Pfarrehepaar vor dem Schlafengehen. Sie wollen noch beten. Doch das Gebet kommt nur stockend über die Lippen – um Hilfe, Honeckers annehmen zu können, und zwar mit Liebe, und sie nicht als Staatsrats-Vorsitzender und Ministerin sehen.

Gegen äussere und innere Widerstände

Ein Höhepunkt des Spielfilms ist die Szene, wie die Christen den Demonstrierenden, die «Honecker an die Wand» skandieren, entgegentreten. Als eine Fensterscheibe eingeschlagen wird, geht die Pfarrfrau zur Meute, um sie zu beruhigen und wegzuweisen. Nach eindringlich-emotionalen Worten verlässt schlussendlich der wütende Mob das Gelände.

Besonderen witzig-provokanten Touch verleiht dem Streifen der rebellische Jugendliche der Familie. So hängt er immer wieder neue Schilder wie ein mit Totenkopf geschmücktes «Grenzgebiet! Betreten verboten!» an die gemeinsame Toilette. Also, klare Warnschilder.

Nächstenliebe fällt nicht einfach in den Schoss

Die Kirchenbehörden, die internationale Presse, ja, alle fragen sich, weshalb gerade dieser Mann, der die Kirche diskriminierte, bespitzelte und viele Personen inhaftieren liess, von einem Pfarrer aufgenommen wird? Und dies an einem friedlichen Ort mit einer grossen Institution für Gestrandete. Pastor Bodelschwingh hatte «Lobetal» für Obdachlose der Stadt Berlin gegründet. «Wenn wir Barmherzigkeit predigen, müssen wir sie auch leben – selbst wenn es uns schwerfällt», so Uwe Holmer.

Ex-Kanzler Honecker spricht seinen Respekt und Mut aus, dass Holmers sie aufgenommen haben. Worauf seine Frau meint, ob es denn für Christen nicht einfach unter Nächstenliebe laufe. Der Pastor antwortet, dass diese Liebe einem nicht so in den Schoss falle.

Barmherzigkeit oder Demütigung?

Von den eigenen Leuten abgelehnt, so erlebt der Zuschauer das Ehepaar Honecker; zudem stark, aber auch kühl und mit einer gewissen Verbitterung. Es ist bezeichnend, wie sie beispielsweise den Abschluss folgender Sequenz als Demütigung empfinden: Die Pfarrfamilie will Honeckers Geld für ihre Unterbringung nicht annehmen. Barmherzigkeit sei ihre Haltung, aus einem sinnerfüllten Leben heraus, das aus Gott kommt. Honeckers sehen es als Solidarität, wobei genau dies jetzt von ihren eigenen Genossen fehlt. Schlussendlich gibt es eine Spende an die Kirchgemeinde.

Weitere Schattenseiten des Kommunismus

Eine weitere Filmszene zeigt eine Misshandelte aus einem sogenannten Jugendwerkhof. Dort gab es Zwangserziehung, junge Menschen sollten gebrochen werden. Weitere Gräueltaten der DDR werden aufgelistet: Schusserlaubnis bei inneren Grenzgebieten, Bespitzelung, Diskriminierung Andersdenkender und vieles mehr.

Die Ex-Inhaftierte meint: «Sie haben nicht das Recht, Honeckers zu vergeben.» Worauf der Pfarrer rät, zu verzeihen, damit sie nicht innerlich von der Bitterkeit der Vergangenheit zerfressen würde.

Spannende Spaziergänge

Wenn der Pfarrer jeweils mit Erich Honecker zum Hinterausgang hinausschlüpft, entstehen beim Spaziergang die interessantesten Dialoge – zwischen gläubigem Pastor und atheistischem Kommunisten.

In einer Erklärung schreibt Pfarrer Holmer, durch den Bibelvers «…kommet her, die ihr mühselig und beladen seid…» unterstützt, und fragt die Empfänger, wieviel Schuld man auf sich geladen hätte, wenn man die Honeckers nicht aufgenommen hätte.

Schluss ohne Schuld

Schlussendlich reist das Ehepaar Honecker ihren Kindern nach Chile nach. Mit im (Pfarr-)Gepäck sind geschenkte Bibeln, viele christliche Gedankenanstösse und ein Segenslied. Was der Film mit einer gelegten Bombe und einer Rückkehr mit Polizeibegleitung zu tun hat, wird erst beim Schauen entschlüsselt werden.

Das Schlusswort von Pfarrfrau Holmer: «Mich erschüttert, wie weit wir Menschen gesunken sind, dass einer dem anderen nicht mehr glauben, nicht mehr trauen kann. Dieses Misstrauen vergiftet alles. Davon müssen wir weg kommen…»

«Honecker und der Pastor» mit 1 Std. 37 Minuten Dauer:
Honecker und der Pastor - Film in voller Länge

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Datum: 07.04.2022
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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