«Wall Street»-Protest in den USA

Decken sich die Forderungen mit der Botschaft des Christentums?

Das vergangene Wochenende veranschaulicht die Unterschiede: Die «Occupy Wall Street»-Proteste haben für die konservativen US-Christen «keine biblische Grundlage». Ganz anders sehen es die linksorientierten Christen: «Jesus würde bei ‚Occupy Wall Street‘ mitmachen».
Auf explizite Kritik stösst die Protestbewegung «Occupy Wall Street» bei rechtsgerichteten Christen in den USA. Die «Verurteilung von Konzernen, mit deren Hilfe unsere Gesellschaft funktioniert», sei «kurzsichtig und kontraproduktiv», schrieb zum Beispiel der konservative Publizist Paul McCain. Ausserdem sei schwer zu verstehen, was die Demonstranten denn konkret wollten. Der konservativ-evangelikale Prediger Jay Lowder erklärte, die Demonstrationen hätten «keine biblische Grundlage». Es gäbe wichtigere christliche Anliegen als der Streit um die Rolle der Banken.

«Die Geldwechsler aus dem Tempel geschmissen»

Eine ganz andere Meinung vertreten die linksorientierten Christen in den USA. Zu ihnen zählt Jason Miller von der Organisation «Catholics United», der nach eigenen Angaben 40‘000 Menschen angehören. Er ist sich sicher: «Jesus würde bei 'Occupy Wall Street' mitmachen.» Denn Christus habe die Geldwechsler aus dem Tempel geschmissen.

Miller und seine Mitstreiter haben aus Papiermaché das biblische Goldene Kalb nachgebaut, das die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten als falschen Gott verehrten. Diese Woche kam die Figur zum ersten Einsatz bei einer Kundgebung in der Wall Street. Denn dort werde das Geld verehrt wie seinerzeit das Goldene Kalb, kritisiert Miller.

Bei Kundgebungen in New York und Boston sind auch «Protestkaplane» in Erscheinung getreten, eine Gruppe von Pastoren und Theologiestudenten, die betet und mitdemonstriert. Christen hätten den Auftrag, die Gesellschaft zu verbessern, begründet «Protestkaplanin» Julia Burkey, eine Theologiestudentin, ihre Teilnahme: Die Forderungen der Demonstranten deckten sich weitgehend mit der Botschaft des Christentums.

Vergleich mit Bürgerrechtsbewegung

Vergangenes Wochenende an den Kundgebungen in den USA ebenfalls vertreten waren die linken Evangelikalen. Im Gegensatz zu den konservativen Evangelikalen ist diese gesellschaftskritische Bewegung in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Insgesamt gehören die Christen, die sich bei «Occupy Wall Street» engagieren, jedoch zur Minderheit.

Bei der Vereinigten Methodistenkirche, der zweitgrössten protestantischen Kirche der USA, habe die Zurückhaltung gegenüber «Occupy Wall Street» mit der «Kultur des Gemeindelebens» zu tun, erläutert James Winkler, der bei den Methodisten das Büro für Kirche und Gesellschaft leitet.

Im Grunde genommen verhielten sich die Kirchen gegenüber «Occupy Wall Street» wie früher gegenüber der Bürgerrechtsbewegung und der Anti-Vietnamkriegsbewegung, legt der Methodist Winkler dar. Aktiv eingebracht hätte sich immer nur wenige Kirchen, etwa die afro-amerikanischen Gemeinden während der Bürgerrechtsbewegung.

Zum Thema:
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Datum: 17.10.2011
Quelle: Livenet.ch / epd

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