Kinder und Beruf

«Wahlfreiheit» – ein Ideal von gestern?

Eltern sollen in der Wahl ihrer Schwerpunkte frei sein. Das war ein politisches Credo. Heute gilt zunehmend die Losung: «Kinder dürfen nicht länger ein Hindernis für Beruf und Karriere (von Frauen) sein.»

Nach wie vor gehen Mütter seltener als kinderlose Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Väter beteiligen sich dagegen nicht weniger, sondern mehr am Erwerbsleben als Männer, die keine Kinder zu versorgen haben. So der erstaunliche Befund für Deutschland, der aber in der Schweiz nicht viel anders ausfallen dürfte.

Von den Müttern mit einem jüngsten Kind unter drei Jahren waren 2008 in Deutschland knapp ein Drittel erwerbstätig. Mit dem Alter des (jüngsten) Kindes steigt die Erwerbsquote der Mütter auf 60% in der Kindergartenphase und bis auf 70 Prozent im höheren Schulalter. Selbst Mütter mit jugendlichen Kindern sind heute seltener erwerbstätig als Väter, die zu etwa 85% einer bezahlten Arbeit nachgehen. Diese Väter sind nahezu ausschliesslich in Vollzeit erwerbstätig. Hingegen arbeitet von den erwerbstätigen Müttern nur eine Minderheit in Vollzeit ausser Haus, mehr als 70% sind in Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt.

Viele Frauen setzen Prioritäten anders

85% der teilzeitbeschäftigten Mütter geben an, ihren Erwerbsumfang einzuschränken, um Kinder, Pflegebedürftige oder Behinderte zu betreuen; nicht einmal ein Zehntel begründet dies mit dem Fehlen einer Vollzeitstelle. Hauptgrund für den Vollerwerbsverzicht von Müttern ist also familiäre Fürsorge. Finanzielle Grundlage dieser Fürsorge ist die Vollerwerbstätigkeit der Väter: In den meisten Familien sind sie, wenn nicht die «Alleinernährer», so doch die «Haupternährer» der Familie.

Gegen diese Lebenswirklichkeit wendet sich eine Allianz von Unternehmern und GleichstellungspolitikerInnen: Die einen wollen Mütter in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels als «stille Reserve» für den Arbeitsmarkt mobilisieren; die anderen Frauen aus ihrer Abhängigkeit vom «Ernährer-Ehemann» emanzipieren. Gemeinsam streben sie an, dass Mütter (wie bisher schon Väter) kontinuierlich in Vollzeit für den Arbeitsmarkt verfügbar sind.

In der Schweiz beklagen gar die Statistiker den hohen Anteil der Frauen (76 Prozent) in Teilzeitstellen, während diese insgesamt nur 51 Prozent aller Stellen ausmachen. Obwohl viele Frauen ausdrücklich solche Stellen suchen, suggerieren Medienleute und feministisch beeinflusste Politiker/innen solchen Frauen ein Defizit. Oder man beklagt wie ein Mantra ständig ihre Untervertretung in den Spitzenpositiionen.

Teilzeit ermöglicht Balance zwischen Familie und Beruf

In der Realität aber streben die meisten Frauen nach einer Balance von Familie und Beruf. Diesen «adaptiven» Frauen kommen Teilzeitangebote oft entgegen: Sie bieten ihnen die Möglichkeit, Teilhabe am Erwerbsleben mit der Fürsorge für Kinder und/oder pflegebedürftigen Angehörigen zu verbinden. Nach wie vor widmen sich auch viele Mütter in Vollzeit ihrer Familie, besonders dann, wenn sie mehrere Kinder zu erziehen haben.
Einst war es die Maxime der Familienpolitik, unterschiedliche Lebensentwürfe zu respektieren: Familien sollten «ihr Leben so gestalten können, wie sie es selbst möchten».

Erklärtes Ziel der deutschen Regierung war es, Familien «Spielräume und Wahlfreiheiten zu erhalten» und eine «pluralistische Familienkultur» zu unterstützen. Freiheit und Pluralität bedeuten in der Lebenswirklichkeit immer auch Ungleichheit. Dies gilt auch für die Erwerbsbeteiligung von Müttern und Vätern. Massgabe der postmodernen Arbeitsmarktgleichstellungspolitik sind jedoch gleiche Lebensverläufe von Männern und Frauen, Wahlfreiheit ist nicht mehr vorgesehen.  Das ist ein Verlust an Freiheit allgemein, von den Folgen dieser Politik für die Kinder ganz zu schweigen.

Datum: 11.10.2010
Quelle: SSF

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