Ethik in der Eisdiele
Kreativer Kampf gegen den Menschenhandel
Eisdielen gibt es viele, doch das Café Just-Ice in Derby, Grossbritannien ist besonders: Hier arbeiten Menschen, die zuvor ausgebeutet wurden. Inhaber Gavin und Sally Murray bieten mit dem Arbeitsplatz auch Unterstützung und Rehabilitation.
Ein Vortrag über Menschenhandel im Jahr 2007 beindruckte Sally nachhaltig. Sie stellte sich die Frage, was sie und ihr Mann konkret tun können, um dieses Übel zu bekämpfen. Und so entschieden sie sich, ihre Liebe zu Eis mit dem Kampf für Gerechtigkeit zu vereinen. Das englische Wortspiel «Just-Ice» (dt. Nur Eis) und «Justice» (dt. Gerechtigkeit) ist also nicht nur Name, sondern Motto des Geschäfts. Es besteht nicht nur aus einem Café mit Eisdiele, sondern stellt die Eiscreme selbst her – natürlich aus Fairtrade-Produkten – und bietet sie bei Catering-Events und Hochzeiten an.
Alles verdreht
Von den aktuell neun Angestellten haben etwa ein Drittel im Menschenhandel gelebt. Das Verhältnis 1:3 hilft den Inhabern, die Bedürfnisse der Opfer mit den geschäftlichen Bedürfnissen auszubalancieren – zwei Drittel der Einkünfte kommt vom Geschäft, ein Drittel stammt aus Spenden.«Wenn du mit Überlebenden arbeitest, musst du ein Geschäft haben, das mit Traumata umgehen kann», erklärt Gavin, der früher Baptistenpastor war. «Die kleinste Sache kann zum Problem werden und einfache Befehle können Zusammenbrüche auslösen. Einer unserer Angestellten fragte zum Beispiel: 'Darf ich eine Kaffeepause machen, wenn ich meine eigene Tasse, meine eigene Milch und meinen eigenen Kaffee mitbringe?' Er hatte Angst, das zu fragen, weil er früher bestraft und geschlagen wurde, wenn er Pausen machte. Alles, wonach wir in einer guten, gesunden Arbeitskultur streben, ist in einer Welt der Sklaverei genau andersherum.»
Freundschaften und Gemeinschaft senken Risiko
Die Arbeitnehmer werden umfassend betreut und erhalten zunehmend Verantwortung, um so nach und nach das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder herzustellen. Sie dürfen auch entscheiden, ob sie im Geschäft bleiben möchten, oder dies nur als Sprungbrett nutzen. Und anders als an vielen anderen Arbeitsplätzen gibt es hier eine Feier, wenn sich jemand bereit fühlt, weiterzuziehen. Arbeitnehmer erhalten auch Nachhilfe in Englisch und Mathe, wo nötig, werden aber vor allem in eine Gemeinschaft eingebettet und können im Arbeitsumfeld Freundschaften aufbauen, was das Risiko, wieder im Menschenhandel zu landen, drastisch sinken lässt. Hierbei hilft auch das monatliche Mentoring innerhalb des Geschäfts.
Nach der vierjährigen Erfahrung möchten Gavin und Sally einen weiteren Schritt machen. Sie sprechen seit kurzem in Firmen, glaubensbasierten Gruppen und säkularen Netzwerken über ihr Geschäftskonzept und ermutigen dazu, Arbeitsplätze für Opfer des Menschenhandels anzubieten. Ein kreativer Schritt im Kampf gegen den Menschenhandel.
Zur Webseite:
Just-ice
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Autor: Charlee New / Rebekka Schmidt
Quelle: Evangelical Focus / Übersetzt und bearbeitet von Livenet