Seelsorgekurs

Seelsorge heisst auch „qualifiziert den Mund halten“

Nur wer zugehört hat, darf erwarten, dass seine Ratschläge ernstgenommen werden. Ebenso nötig wie das qualifizierte Schweigen sei in der christlichen Seelsorge eine gesunde Persönlichkeit des Beratenden. Das betonte Mitte November 2006 der Psychotherapeut Wilfried Veeser zum Auftakt eines Seelsorgekurses.

Gegen hundert Frauen und ein Dutzend Männer begannen am Samstag, dem 11. November, mit dem Grundkurs „Begleitende Seelsorge“, den das Bildungszentrum für christliche Begleitung und Beratung (bcb)* in Oberägeri anbietet. Während sechs Kurstagen von November bis April sollen gemäss bcb Kenntnisse von grundlegenden Lebensprozessen vermittelt werden, damit die Teilnehmer neue Perspektiven für den Glauben und die Gestaltung des Alltags entdecken können. So werden Themen wie „Den Menschen ganzheitlich betrachten“, „Kommunikation: Das hilfreiche Gespräch im Alltag und in der Seelsorge“ oder „Hilfe zum Umgang mit belastenden Gedanken“ aufgenommen. Im Mittelpunkt des ersten Tages stand ein grundlegendes Referat des Theologen und langjährigen Psychotherapeuten Wilfried Veeser. Er gestaltete den Tag gemeinsam mit Pfarrerin Monika Riwar, der Leiterin des bcb.

Begleitung von Menschen in Krisen

Anhand einer Aussage von Jesus aus dem Matthäusevangelium zeigte Veeser das Wesen der Seelsorge auf: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig beladen seid; ich will euch erquicken“ (Die Bibel, Matthäus, Kapitel 11, Vers 29). Dazu die unkonventionelle Bemerkung des Referenten: „Vor allem in den ersten Gesprächen mit Notleidenden bedeutet Seelsorge, qualifiziert den Mund zu halten.“ Trotzdem spürte man ihm ab, wie ernst es ihm mit der Seelsorge ist und wie sehr er sie als Begleitung von Menschen in Krisensituationen versteht.

Jeder angehende Teilnehmer dieses Grundkurses sollte sich anschliessend in das Fallbeispiel einer depressiven Frau einfühlen und benennen, was ihn in so einer Begegnung bewegt und verunsichert. „Wenn ich nicht weiss, wo ich selber stehe, ist die Gefahr gross, dass der andere sein Leiden auf mich überträgt“, meinte Veeser.

Persönlichkeitstest für die Berater

Abgrenzung sei äusserst wichtig, um jemandem echte Hilfe bieten zu können. Deshalb legt das bcb in der Ausbildung künftiger Seelsorgerinnen viel Wert auf Selbsterkenntnis und bietet dafür eigens einen ausführlichen Persönlichkeitstest an.

Entscheidend sei, so Veeser, auch die ganzheitliche Gesundheit der Berater. Eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung und Eigeninitiative sowie eine persönliche Gottesbeziehung tragen entscheidend zu einem seelischen Gleichgewicht bei. Eine Statistik unterstrich diese Ausführungen, wobei eine „gefühlsmässig spontane Gottesbeziehung“ den mit Abstand stärksten Gesundheitseffekt aufwies.

Zuwendung vor Ratschlägen

Deshalb sei es wichtig, dass man in der Seelsorge-Ausbildung nicht nur im Wissen, sondern auch im Glauben wachse und körperlich gesund bleibe. Zudem gelte es, die Spannungen auszuhalten, die in seelsorgerlichen Gesprächen auftauchen. „Auch Ratschläge sind Schläge“, meinte der Psychotherapeut und wies damit auf die Gefahr hin, vorschnell handeln zu wollen. Ein Mensch in einer Krise suche in erster Linie Zuwendung, um seine Not erst einmal loszuwerden.

Zuwendung und ein offenes Ohr seien das A und O dieser Art der begleitenden Seelsorge, die sich aber nicht als Beratung verstehe. Die begleitenden Personen dürften also nicht zu Pseudopsychologen mutieren. Anders als in der Seelsorge ziele die Psychotherapie auf die Heilung eines kranken Menschen. Ein Seelsorger müsse aber psychische Erkrankungen erkennen können, damit er gegebenenfalls Patienten an Psychotherapeuten weiterverweisen kann.

Kritisch gegenüber Hypnose

Am Ende des Tages entwickelte sich ein interessantes Gespräch zwischen Veeser und einem Kursteilnehmer, der das psychotherapeutische Mittel der Hypnose kritisch beurteilte. Veeser erklärte, dass die Hypnose nichts Verfängliches sei und absolut nichts mit Religion zu tun habe. Praktiken, die mit der Bibel nicht zu vereinbaren seien, könne er hingegen nicht unterstützen.

* Das Bildungszentrum für christliche Begleitung und Beratung befähigt Menschen zur Begleitung und Beratung von Mitmenschen, indem es fundiertes Fachwissen vermittelt, eine Selbstreflexion fördert und zur praktischen Hilfe anleitet. Die bcb-Arbeitszweige umfassen:
- Ausbildung in Begleitender und Beratender Seelsorge für Interessierte und Mitarbeitende in Kirchen und Freikirchen.
- Seminare und Vorträge zur persönlichen Fortbildung für Mitarbeitende in Diakonie und sozialen Berufen.
- Vermittlung von ausgebildeten Beratenden Seelsorgern für Einzel- und Gruppengespräche

Weiterführende Links:
Das Christliche Bildungszentrum bcb in Oberägeri
Tagung über Lust und Frust im Erziehungsalltag

Datum: 09.12.2006
Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch

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