Ex-Fussballstar Kaká
«Man kann die Leistung nicht vom Menschen trennen»
Mit der brasilianischen Nationalelf errang Kaká, der mit bürgerlichem Namen Ricardo Izecson heisst, 2002 den WM-Titel, gewann mit dem AC Mailand 2007 die Champions League und wurde im selben Jahr zum FIFA-Weltfussballer des Jahres gewählt. Beim Global Leadership Summit (GLS) von Willow Creek im Sommer 2020 sprach er in einem Interview über seine Erfahrungen als Führungsspieler im Profi-Fussball. Ein Auszug.
Kaká,
du hast in vielen Mannschaften, in denen du gespielt hast, die
Kapitänsbinde getragen. Wie hast du diese Leitungsrolle ausgeübt?
Kaká: Man muss wissen, dass es in einer Mannschaft viele Spieler
gibt, die Einfluss ausüben – auch wenn sie keine offizielle
Führungsrolle haben. Natürlich gibt es den Kapitän: Er ist der
offizielle Leader und vertritt das Team auch gegenüber dem Management,
was Boni, Zeitpläne, Reisen etc. angeht. Dann gibt es in jeder
Mannschaft auch den Star, denjenigen, der herausragt – auch der hat
Einfluss. Er signalisiert in schweren Spielen: Gebt mir den Ball, ich
übernehme die Verantwortung! Und es gibt Meinungsmacher, die die
Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen können. Nicht zu
vergessen: In jeder Kabine gibt’s auch Spieler, die sich durch einen
Rückstand schnell entmutigen lassen. Und diejenigen, die dann erst recht
sagen: Los, Jungs, reisst euch zusammen – wir geben nicht auf! Sie sind
für jedes Team eine wichtige Inspiration. Ich habe versucht, diese unterschiedlichen Dynamiken und Typen im
Blick zu behalten. Denn durch sie wird nicht nur der Ton im Team,
sondern auch dessen Stossrichtung beeinflusst. Mir persönlich war die
situationsbedingte Leitung immer wichtig, denn ich konnte den
Gemütszustand meiner Mitspieler immer sehr gut an ihrer Körpersprache
erkennen und entsprechend reagieren.
Als Spieler auf nationaler und internationaler Bühne steht
man unter besonderer Beobachtung und muss auch mit Kritik umgehen. Wie
ist dir das gelungen?
Zu Beginn meiner Karriere habe ich alle Zeitungsberichte über mich
gelesen. Wenn ich kritisiert wurde, habe ich das sehr persönlich
genommen. Das hat mir dann buchstäblich den Tag vermiest. Ich fühlte
mich als Looser. Wenn ich Artikel las, in denen meine Spielweise gelobt
wurde, bin ich ins andere Extrem verfallen: Ich war überglücklich und
hatte ein hohes Selbstwertgefühl. Irgendwann merkte ich, dass mein Leben
nicht ausbalanciert und fremdbestimmt war von der Meinung anderer.
Daran habe ich intensiv gearbeitet – und währenddessen bewusst keine
Zeitungen gelesen.
Kritik kommt naturgemäss auch vom Trainer. Wie bist du damit umgegangen?
Das kam ganz auf die Art an, wie die Kritik geäussert wurde. Der beste
Trainer meiner gesamten Laufbahn war auch der, der die Kunst der
Menschenführung nahezu in Perfektion draufhatte.
Welcher Trainer war das?
Carlo Ancelotti. Sechs Jahre habe ich unter ihm beim AC Mailand
gespielt – es waren die besten Jahre meiner Karriere. Er verstand es,
das Beste aus mir herauszukitzeln.
Wie hat er das geschafft?
Ancelottis Führung basierte auf Liebe. Das hört sich vielleicht etwas
kitschig an – aber genauso war es. Sein gesamtes Verhalten verströmte
stets die Liebe gegenüber seinen Mitmenschen.
Kannst du ein Beispiel dafür nennen?
Für einen Trainer ist es enorm schwer, elf Spieler für das nächste
Fussballspiel auszuwählen – weil das zugleich für viele andere die
Ersatzbank bedeutet. Ancelotti hat seine Entscheidungen gegenüber den
Ersatzspielern immer so kommuniziert, dass alle begriffen: So ist es das
Beste für das gesamte Team. Dabei war er stets absolut glaubwürdig. Eine weitere Herausforderung für den Trainer ist der richtige Umgang
mit den unterschiedlichen Motivationen seiner Spieler. Da ist der
Nachwuchsspieler – der ist dankbar, dass er überhaupt Teil der
Mannschaft sein darf, auch wenn er nicht oft spielt. Dann gibt es den
Kapitän – er kämpft dafür, dass er es in die Nationalelf seines Landes
schafft oder seinen Platz dort verteidigt. Dann gibt es die Spieler,
deren Verträge auslaufen – sie wollen durch ihre Einsätze für eine
Vertragsverlängerung werben. Dann gibt es Spieler, die nach einem
grösseren Verein schielen. All diese Dynamiken laufen zeitgleich, während
der Trainer mit diesen Leuten Spiele gewinnen will.
Wie hat Ancelotti diese unterschiedlichen Interessen gebündelt, sodass sie dem gesamten Team zugutekamen?
Er besitzt die besondere Fähigkeit, sich in die unterschiedlichen
Charaktere mit ihren unterschiedlichen Ansprüchen hineinzuversetzen.
Zugleich erkundigt er sich nach den Familien seiner Spieler und was sie
privat beschäftigt. Für solch einen Trainer möchtest du einfach dein
Bestes geben. Das ist sicher ein Grund, weshalb er bis heute ein so
erfolgreicher Trainer ist.
Man bringt Liebe als Führungsstil nicht unbedingt mit einem Fussballtrainer in Verbindung.
Vielleicht wird es deutlicher, wenn ich diesen Führungsstil mit einem
anderen vergleiche, der mir auch in meiner Karriere begegnet ist:
Führen durch Angst. Spielte man dann mal ein Spiel nicht so gut, sprach
der Trainer mit diesem Ansatz nicht mehr mit einem. Auch das Klima in
der Kabine war von Angst geprägt – man lief ständig wie auf Eierschalen.
Kurzfristig führt der angstgetriebene Führungsstil zu einer
Leistungssteigerung, weil sich alle extrem zusammenreissen. Aber dieser
Stil hat ein Verfallsdatum. Denn wenn man sich entschliesst, vor diesem
Trainer – oder einer Führungsperson – keine Angst mehr zu haben, hat er
nichts mehr in der Hand, mit dem er führen kann. Dazu kommt: Wenn ein
Team die Angst vor ihrer Führungsperson überwunden hat, wird diese
ständig kritisiert und ihre Entscheidungen hinterfragt. Das sorgt für
eine feindselige, destruktive Stimmung innerhalb einer Kabine oder
Organisation. Wenn es dann darauf ankommt und der Trainer unbedingt auf
seine Spieler zählen muss, sagen die sich: Für dich opfere ich mich doch
nicht auf!
Weil nicht auf das Vertrauenskonto eingezahlt wurde.
Richtig. Wenn Liebe das Leitmotiv ist, heisst das übrigens nicht, dass
ich mit allen Entscheidungen des Trainers einverstanden sein muss. Aber
auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, weiss ich, dass er uns
Spieler als Menschen sieht und das Beste für das Kollektiv im Sinn hat.
Im Sport, wie im Leben, ist der Mensch nun mal der wesentliche
Bestandteil. Man kann die Leistung oder das Ergebnis nicht vom Menschen
trennen. Wer den Menschen verliert, verliert immer auch einen grossen
Teil seiner Leistung und Möglichkeiten.
Du hast immer sehr offen über deinen christlichen Glauben gesprochen. Weshalb?
Weil mein Glaube massgeblich ausmacht, wer ich bin und wofür ich lebe.
Natürlich macht man sich damit auch angreifbar, wenn man im Rampenlicht
steht. Und man sollte immer klug überlegen, welche Kämpfe man kämpfen
und welcher Kritik man sich aussetzen möchte. Mein Glaube ist es mir
wert, dafür kritisiert zu werden.
Das Interview mit Kaká sowie weitere Beiträge des Global Leadership Summit können noch bis zum 31.01.2021 «On Demand» angeschaut werden.
Zum Thema:
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Autor: Übersetzung: Gotthard Westhoff
Quelle: www.willowcreek.de
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