King vor 50 Jahren in der DDR

«Auf beiden Seiten der Mauer sind Kinder Gottes»

Vor 50 Jahren sprach der amerikanische Bürgerrechtler und Pastor Martin Luther King in der DDR. Der Aktivist sprach in zwei Kirchen und erklärte, dass keine von Menschen gemachte Absperrung verhindern könne, dass auf beiden Seiten der Mauer Kinder Gottes seien.

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Martin Luther King
Die Marienkirche in Berlin-Mitte, damals Teil der DDR, war komplett überfüllt. Dann machte die Nachricht die Runde, dass Martin Luther King bald auch noch in der Sophienkirche sprechen würde. Auch die platzte bald aus allen Nähten.

In seiner emotionalen Predigt bringt er auch Grüsse von den christlichen Brüdern und Schwestern aus West-Berlin und aus seiner Heimat. Riesiges Gedränge nach der Predigt. Jeder will ein Autogramm oder die Hand schütteln. Darunter auch Zeitzeuge Hans-Joachim Kolpin, damals 15-Jährig. In der Kirche hat er keine Chance, dem berühmten Bürgerrechtler zu begegnen. Zusammen mit einem Freund wartet er draussen und steht vor den Wagen, mit dem King losfahren will. King steigt aus, schreibt den beiden Jungs ein Autogramm und verabschiedet sich mit einem Händedruck, berichtet die Zeitung «die Zeit».

Ohne Pass

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Martin Luther King jr. besucht die Stelle der Berliner Mauer, wo man am Morgen einen schwer verletzten DDR-Flüchtlling über die Mauer gezogen hat.
Für Ost-Berlin habe Kings Visite eine ähnliche Bedeutung gehabt, wie der Besuch Kennedys ein Jahr zuvor im Westen Berlins. Noch während Kings Visite wurde ein 21-Jähriger angeschossen, als er versuchte, aus der DDR in den Westen zu flüchten. Als auch Häuser getroffen wurden, schossen Polizisten aus dem Westen zurück. Bis ein US-Militärpolizist eine Rauchgranate warf und die Grenzwächter mit einer Pistole in Schach hielt. Er zog den Verwundeten mit einem Seil über die Mauer. King besuchte den Ort des Geschehens wenige Stunden später. Er nannte den Vorfall «unfassbar» und mahnte eine Entspannungspolitik an.

Der Besuch im Osten war inoffiziell. Der von der Kirche eingeladene Aktivist hatte keinen Pass bei sich; dieser war bei den US-Behörden. Wie die «Welt» berichtet, fürchteten die US-Beamten entweder um Kings Sicherheit oder sie wollten einen publikumsträchtigen Auftritt im Osten verhindern. Als King am Checkpoint Charlie vorfuhr waren die Grenzwächter perplex. Mit einer halbstündigen Verspätung durfte King einreisen.

Die Staatsführung der DDR versuchte, King in ihre sozialistische Schablone zu pressen und feierte ihn laut der «Frankfurter Allgemeinen» als Überwinder «der Slums, des Polizeiterrors und der Ausbeutung auf den Plantagen der amerikanischen Südstaaten».

«Let my people go»

King liess auch die politische Lage anklingen, berichtet «die Zeit». Doch als der Chor den Gospel «Go down Moses» verklingen liess, in dessen Refrain die Zeile «Let my people go» («Lass mein Volk ziehen») vorkommt, verkündete King: «Auf beiden Seiten der Mauer sind Gottes Kinder, und keine von Menschen gemachte Absperrung kann diese Tatsache auslöschen.»

Zwar sei er zu wenig lang vor Ort, um Gottes Plan und den Ruf an die Christen vor Ort zu erkennen. «Aber ich würde gerne mit euch den Geist teilen, der uns in unserem Freiheitskampf im Süden der Vereinigten Staaten bewegt.»

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Datum: 15.09.2014
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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