Lepraspital Indien

«Engel aus der Schweiz»

Kürzlich kehrte Mirja Kiener (22) von einem dreimonatigen Einsatz im Spital der Lepra-Mission in Naini, Indien zurück. Die gelernte Pflegefachfrau kümmerte sich fürsorglich um die Leidgeprüften. Sie säuberte zahllose eiternde Geschwüre und behandelte grossflächige, offene Wunden. Jetzt arbeitet der «Engel aus der Schweiz» als Pflegefachfrau im Thuner Spital. Anbei der Bericht der jungen Schweizerin.

Zoom
Mirja Kiener und Beni Baba
«Viele Angehörige von den Patienten schlafen vor dem Spital auf dem Boden und beginnen am frühen Morgen, ihr Frühstück zu kochen. Ich betrete das Spital: die Luft ist stickig und staubig. Der Eingang ist voll von Menschen, die neu ins Spital gekommen sind und eine Untersuchung, Medikamente oder sonstige Behandlung benötigen. Diese Menschen werden in öffentlichen Spitälern aus finanziellen oder ethnischen Gründen nicht behandelt. Manche Leute sind mehrere Tage unterwegs, nur um hier behandelt zu werden.

Ich bin nämlich Pflegefachfrau und absolviere einen dreimonatigen Einsatz in Indien in einem Lepraspital. Auf der Abteilung treffen sich alle Pflegerinnen für einen kurzen Rapport, anschliessend geht es an die Arbeit. Es gibt sieben Abteilungen, 150 stationäre Patienten und acht Pflegefachfrauen pro Schicht. Für mein schweizerisches Pflegeverständnis ist es schwierig zu verstehen, wie man so arbeiten kann, weil in der Schweiz eine Pflegefachfrau für sieben Patienten zuständig ist, und nicht wie hier für fast 20 Patienten. Die Arbeit, welche die Pflege hier leistet ist grossartig.

Amputation konnte verhindert werden

Nach der Medikamentenabgabe an die Patienten fange ich, an ihre Wunden zu pflegen. Aufgrund von Lepra sind die Wundheilung und die Gefühlsempfindung gestört. Dadurch, dass viele Leprakranke gesellschaftlich geächtet oder von anderen Spitälern nicht über Lepra aufgeklärt worden sind, kommen sie meist beinahe zu spät zur Behandlung. Die Wunden sind meist infiziert und riesig, sodass manchmal nur noch eine Amputation möglich ist.

Seit ein paar Wochen pflege ich einen jungen Mann: sein Name ist Bashist. Er kam ins Spital mit einer riesigen Unterschenkelwunde, die stark infiziert war. Es wurde damit gerechnet, dass eine Amputation die einzige Lösung für ihn ist. Dank zweimal täglicher Wundpflege und medikamentöser Therapie verbesserte sich aber die Wunde zunehmend. Heute hat er eine Operation, wo gesunde Haut vom Oberschenkel auf die Wunde verpflanzt wird. Schon bald wird für ihn nur noch eine Narbe zu sehen sein. Seine Mutter, die nie von seiner Seite gewichen ist, ist unendlich dankbar und glücklich.

Neu Laufen lernen

Weniger einfach hat es Basisths Bettnachbar Begu Set. Er hatte auch eine grosse infizierte Wunde am Fuss, die sich trotz Behandlung verschlechterte. Eine Amputation wurde nötigt. Seine psychische Verfassung ist seitdem sehr schlecht. Er macht sich Sorgen, wie er ohne Fuss arbeiten und seine Familie ernähren kann. Der Spitalseelsorger und der soziale Dienst kümmern sich um ihn. Schon bald wird für ihn eine Prothese angepasst und mit Physiotherapie wird er das Laufen wieder erlernen. Der soziale Dienst wird sich anschliessend für eine Arbeit und sein Leben zu Hause einsetzen.

Ich werde von der Wundpflege unterbrochen von meinem «Lieblingspatienten»: Beni Baba! Er ist ein 96-jähriger Mann, der seit Jahren Lepra hat und diese aber im Spital behandelt hat. Aufgrund seines Alters und dem Umstand, dass er kein soziales Umfeld hat, das ihn betreuen könnte, lebt er in einem Altersheim hinter dem Spital.

Einsatz für Verstossene

Meist sind die Leprakranken von Familie und Gesellschaft verstossen und erleben weder Respekt noch Toleranz, geschweige denn Liebe und Angenommensein. Jedes Gespräch oder nur eine kleine Berührung nehmen sie auf wie ein ausgetrockneter Schwamm.

Nachdem ich Beni Baba sowie die restlichen Wunden versorgt habe, gehe ich in meine Mittagspause. Gestärkt ziehe ich mich um für den Operationssaal. Ich darf heute miterleben, wie eine Handoperation von Dr. Premal durchgeführt wird. Leprapatienten entwickeln vielfach eine «Klauenhand». Ohne Operation würde es zur völligen Handverkrüpplung führen, was für den Patienten eine starke Behinderung bedeuten würde.

Es folgen noch weitere Operationen. Um halb sechs ist für mich Feierabend. Es war ein langer Tag mit vielen neuen Eindrücken und morgen wird wieder ein aufregender Tag folgen. Ich bin froh, dass ich ein Teil sein darf von einer Institution, die etwas Grosses tut für die Menschen in Indien. Ich stelle den Wecker für den nächsten Tag und schliesse müde aber glücklich die Augen.»

Webseite:
Lepra-Mission Schweiz

Datum: 05.04.2012
Quelle: Lepra-Mission Schweiz

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