Warum eine Methode nicht genügt

Der "fünffältige Dienst" und unser Auftrag in der Gesellschaft

Eine Aufgabe - fünf Dimensionen

In Eph 4.11 beschreibt Paulus Evangelisten, Hirten, Lehrer, Apostel und Propheten als Ausrüstungsgaben, die Gott der Gemeinde gegeben hat. In den letzten Jahren ist vielerorts mit Erfolg versucht worden, statt des "einfältigen Dienstes", den der klassische Pastor versieht, diese Vielfalt zur Geltung kommen zu lassen, allerdings vorwiegend im innergemeindlichen Bereich. Wenn wir davon ausgehen, dass die Gemeinde Gottes Instrument zur Durchdringung der Gesellschaft mit der Guten Nachricht ist, muss jede dieser 5 Dienste eine wichtige Funktion in dieser Aufgabe haben.

von Reinhold Scharnowski

Alle Dimensionen

In der Tat: es geht hier um ein "Modell", in dem Wirkungen in alle Richtungen vorgesehen sind. Das Gewinnen einer Gesellschaft kann nicht nur durch evangelistische Aktivitäten, nicht nur durch sozialen Dienst, nicht nur durch Gründung von Gemeinden, auch nicht nur durch Gebet oder Evangelisation geschehen. Wir müssen lernen, diese Wirkungen zusammen zu sehen als Vorstoss in jede Richtung. Wir müssen Modelle finden, wie in einem Land, einer Region oder einer Stadt dieser eine Auftrag in 5 Dimensionen zusammen gesehen und vorangetrieben wird.

Wir wollen die Richtungen kurz im einzelnen anschauen:

1. Der Vorstoss nach oben: die Beter und Propheten

Es hat immer Menschen gegeben, die besonders in der unsichtbaren Welt daheim waren - Männer und Frauen, die viel, gern und erfolgreich gebetet haben. Prophetisch Begabte, die mehr "sehen" und hören als andere, sind in den letzten beiden Jahrzehnten zu Recht wieder zur Geltung gekommen. Gebetsbewegungen sind eine Gabe Gottes - nicht vor allem an die Gemeinde, sondern an die Welt. Ohne auf die problematischen Seiten der "geistlichen Kampfführung" einzugehen, gehört anhaltendes und strategisches und gemeinsames Gebet entscheidend zum Auftrag, Jünger zu machen.
Leider geschieht in diesem "senkrechten" Bereich eine Menge Gaben-Uebertragung (wie fast über-all...). Der an sich richtige Satz "Ohne Gebet geht nichts" wird umgekehrt in "Gebet ist alles". Viele Beter sprechen ihre eigene Sprache und verstehen etwa die Absichten apostolisch denkender Leiter schlecht - bis hin zu Sprüchen wie "Strukturen sind ungeistlich" oder "wir brauchen Erweckung, nicht noch mehr Strategien". Es wird höchste Zeit, dass wir uns um eine umfassendere Sicht des Auftrags bemühen als "Hauptsache beten".

Das könnte praktisch etwa so aussehen:
- Beter und apostolische Leiter sowie Evangelisten müssen regelmässig konsultieren und sowohl ihre geistlichen als auch ihre statistischen Beobachtungen austauschen und in ein gemeinsames Bild bringen. Wo sie verschiedene Sprachen reden, müssen sie um ein gemeinsames Bild ringen.
- Propheten müssen ihre Worte und Bilder der Gemeinde, vor allem Lehrern, zur Prüfung unterbreiten
- Alle Dienste brauchen Unterstützung und Schutz der Fürbitter
- Propheten sollten raus aus der Gemeinde und ihre Gaben in der Gesellschaft austesten - etwa in der Schulfürsorge, der Beziehung zu Journalisten oder in der politischen und wirtschaftlichen Arena. Worte der Weisheit sind überall gefragt.

2. Der Vorstoss zu den Wurzeln: die Lehrer

Zunehmend wird es deutlich: in unserer postmodernen multioptionalen Gesellschaft ist mit der "Grossen Erzählung" auch die Orientierung verloren gegangen. Menschen, die nicht mehr an Gott glauben, glauben nicht nichts, sondern alles. Es war von je her die Aufgabe der Lehrer, die Erzählung Gottes nachzuerzählen und Menschen über die Wahrheit die Augen zu öffnen. Leider ist dieser Dienst in den letzten Jahrzehnten fast ausnahmslos auf innerchristliche Lehre beschränkt worden - wer lehrt heute noch wie George McDonald, C.S. Lewis oder vielleicht noch Francis Schaeffer? Und auch in der Gemeinde führt die Lehre bei vielen - nicht zuletzt seit der Renaissance der Prophetie - ein rechtes Mauerblümchen-Dasein, etwa nach dem Muster "Danke für die Predigt, jetzt treten wir in die worship-Zeit ein und wollen hören, was Gott uns zu sagen hat... (O-Ton aus einem Gottesdienst)." Es wird höchste Zeit, dass wir wieder lernen: Lehre ist nicht "Theorie" und erst recht nicht tote, sondern "ausgelegtes und angewandtes Wort Gottes". Natürlich gibt es nicht viel gute Lehrer, und der Kitzel, "prophetisch direktes" statt am Schreibtisch erarbeitetes Wort Gottes zu hören, ist gross. Aber nach den "Banalitäten mit viel Salbung", die ich unter dem Anspruch "prophetisches Wort" gehört habe (neben viel Gutem), scheint es mir ein Muss, dass Lehre in ihrer grundlegenden Wichtigkeit wieder geschätzt wird. Wir müssen um Gottes Willen (!) aufhören mit der peinlichen Alternative "geschriebenes, gelehrtes oder prophezeites Wort"! Lehre ist Schöpfen aus dem Buch des Schöpfers; Lehre ist Training und gar keine trockene Theorie.

Lehre darf nicht auf den Raum der Gemeinde beschränkt bleiben. Christen, die schreiben können, die in den Journalismus gehen, die packend lehren und öffentliche Debatten führen können, müssen gefördert werden. Ich glaube, dass auch in der Postmoderne Lehre möglich ist. Kommunikatoren, die denken können und das Gedachte auch noch gut an den Mann, die Frau und vor allem die jungen Leute bringen können, müssen entdeckt und aufgebaut werden. Warum predigen auf Allianz-Gottesdiensten oder warum reden an öffentlichen Kundgebungen der Christen so viele langweilige Redner?

3. Der mitmenschliche Aspekt des Auftrags: die Hirten

Hirten sind Menschen, die sich um Menschen kümmern. Innerhalb der Gemeinde ist das klassischerweise die Aufgabe der Seelsorge, der Aufbau von Gruppen usw. Ich möchte hier auf zwei Aspekte des Hirten-Dienstes hinweisen, die häufig nicht so gesehen werden und für die ganzheitliche Auswirkung in die Gesellschaft hinein lebenswichtig sind:

a) Der soziale Dienst.
Er gehört zum Auftrag, Jünger zu machen. Er drückt nonverbal die Liebe Gottes gerade zu den Schwachen und Armen aus und war eine entscheidende Komponente sowohl des Dienstes Jesu als auch der Kirche zu allen Zeiten. Hirten in der Gesellschaft und der Aufbau von sozialen Institutionen ist ein Teil der strategischen Gesamtvision der Gemeinde.

b) Führung.
Führung ist Hirten-Aufgabe. Hirten sollen nicht nur Menschen dienen und sie "um jeden Preis happy machen", sondern Hirten gehen voran und geben Wegweisung. Jede Art von Führung in Gemeinde und Gesellschaft soll Menschen zu "frischem Wasser" und in eine bessere Richtung führen, als sie bisher waren. Christen, die in einem gesellschaftlichen Bereich Führung ausüben, müssen wissen, dass sie ein geschätzer Teil der Gesamtvision sind. Sie brauchen Fürbitte, prophetische Weisung und auch strategischen Rat.

4. Evangelisten: die Kommunikatoren

Evangelisten sind Kommunikatoren, die auf besonders gute und kreative Weise das Evangelium hörbar machen können. Im weiteren Sinne ist es die Aufgabe aller, Zeugen zu sein; aber es gibt immer Christen, die das besser, effektiver können und es auch lieber tun. Und die gehören freigesetzt für diesen Dienst und nicht im Chor verheizt.

Evangelisten dürfen nicht ihre eigenen Lieblingsprogramme vorantreiben, sondern sie gehören der Gemeinde, die für die Welt da ist. Evangelistische Projekte und Programme müssen geprüft und in einen langfristige Zusammenhang gestellt werden, vor allem einen strategischen. Manchmal ist weniger mehr; manches Geld wäre besser in langfristige Ausrüstung oder gar Gründung neuer Gefässe als kurzfristige Aktionen gesteckt.

Evangelisation ist Kommunikation und nimmt in einer Region viele Formen an: Medienleute sind gesucht, Webdesigner, Werbetexter und Grafiker.

5. Apostel: die Pioniere

Apostolische Menschen müssen immer etwas Neues anfangen, darum stehen sie bisweilen in einem Spannungsverhältnis zu den Gemeinden. Sie legen Grundsteine, bauen Strukturen auf und sorgen so dafür, dass die Anliegen der Beter Hand und Fuss und die evangelistischen Bemühungen Nachhaltigkeit bekommen. Apostel arbeiten oft über- und zwischengemeindlich; in einer Region müssen sie entdeckt und eingesetzt werden. Sie sind nicht Herrscher, aber sie haben oft einen wegweisenden und damit Führungsauftrag. Wenn es um den Gesamtauftrag in einer Region geht, sind es in der Regel die apostolischen Leiter, die die Initiative ergreifen und von den anderen darin unterstützt werden sollten.

Der einfache Auftrag in fünf Dimensionen

Die herkömmliche Allianz-Struktur spiegelt in den meisten Städten und Regionen noch zu sehr das herkömmliche Gemeindeverständnis mit dem Primat des Pastors wider. Aber wenige Pastoren haben eine apostolische Sicht oder Gabe; die meisten sind erstens und zweitens und drittens für ihre Herde da, und was darüber hinausgeht, ist halt "übergemeindlich", Extra-Aufwand und damit fakultativ. Tatsache ist nun an vielen Orten, dass Christen quer durch alle Gemeinden zu neuen Allianzen finden, die um einen Aspekt des Auftrags herum gruppiert sind: sie bilden Gebetsbewegungen, starten soziale Projekte, gründen eine Zeitung oder betreiben Alphalive-Kurse. All diese Teilbereiche sind nicht das Ganze, sondern lassen sich einer dieser fünf grundlegenden Dienstrichtungen zuordnen. Je mehr sich die Christenheit einer Region oder Stadt als "ein Leib in vielen Gefässen" versteht und auch danach zu handeln beginnt, um so ganzheitlicher kann und sollte sich eine Leiterschaft herausbilden, die sich nach dem Muster dieses fünffältigen Dienstes orientiert und es lernt, koordiniert in alle Richtungen vorzustossen.

Datum: 20.08.2003
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: DAWN europan network

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