Kuwait

Schiiten wollen Gottesdienste diktieren

Christen sehen sich in Kuwait einer härteren Gangart ausgesetzt. Schiitische Moslems wollen ihnen den Abendmahlwein verbieten und nur noch ein ausserbiblisches Evangelium gestatten.

Die Situation der Christen in Kuwait war relativ gut, sagt Nahostkenner Heinz Gstrein*: «Dort wurde die traditionelle islamische Praxis praktiziert, dass man den Christen wie auch den Juden und anderen Monotheisten zwar nicht Religionsfreiheit gewährte, aber eine eingeschränkte Kultfreiheit zugestand.» Kirchen konnten errichtet werden, durften aber nach aussen nicht als solche erkenntlich sein. Zudem war erlaubt, die eigenen Kinder religiös zu unterwiesen; selbst kirchliche Schulen und Geistliche waren und sind gestattet.

«Das ist in der heutigen islamischen Welt leider die grosse Ausnahme, heute greift in vielen Ländern das Totalverbot um sich.» Aber auch in Kuwait (zu Deutsch auch Kuweit) habe sich der Ton verschärft: «In den letzten Jahren und besonders auch 2008 haben wir einen massiven Druck auf die Christen in Kuwait durch die islamischen Fundamentalisten zu verzeichnen; nicht so sehr sunnitischer als vielmehr schiitischer Ausprägung.»

Tanz mit dem Iran

Kuwait sei ursprünglich schiitisches Gebiet, ausgerichtet nach dem Iran. Unter der langen englischen Kolonialherrschaft habe sich das geändert, der Einfluss des Westens habe bis vor Kurzem gehalten. «Heute haben wir oppositionelle Kräfte, die auch Kuwait zu einer islamischen Republik schiitischer Prägung nach dem Vorbild von Iran machen möchten», beobachtet Heinz Gstrein.

Das führe zunehmend zu Härten gegen Christen: «Wenn die Frauen in schiitischen Vierteln leben, müssen sie sich verschleiern, wenn sie auf die Strassen gehen. Es ist verboten, Alkohol zu verkaufen oder zu konsumieren. Das wäre nicht unbedingt schlecht. Aber es wird dort für uns Christen problematisch, wenn es sich gegen den Abendmahlswein richtet.»

Christen wird Kultus diktiert

Es gebe Kirchen, die grösste Probleme hätten, Abendmahlswein zu beschaffen. Auch seien erste Störaktionen durch schiitische Aktivisten zu verzeichnen. Die hätten zwei Hauptforderungen: Dass der Abendmahlswein durch Wasser ersetzt wird und dass ein islamkonformes Evangelium eingesetzt werde. Gstrein: «Der Islam betrachtet unser Evangelium als eine Verfälschung und es gebe nur ein gültiges Evangelium, das Barnabas-Evangelium*, das ganz im islamischen Sinne umgeschrieben ist. Zudem, so die schiitische Forderung, dürfe in den Predigten nicht auf die Gottheit von Jesus zu sprechen gekommen werden.»

In Kuwait, das zum Teil vorbildlich war in religiöser Duldung (nicht Freiheit), würden nun die Rechte der Christen, wenn auch noch nicht vom Staat, zunehmend von militanten Schiiten mit Füssen getreten.

Im Schatten des Iran

Es ist zu befürchten, so Gstrein, dass ich Kuwait ähnlich dem Iran entwickelt. Es sei nicht zu erwarten, dass Christen in dem reichen Land ermordet werden und Kirchen angezündet. «Diese Störaktionen laufen – anders als in Ägypten oder Irak – einigermassen zivilisiert über die Bühne. Man unterbricht den Gottesdienst und macht den Christen Vorhaltungen, aber es ist noch nicht zu Gewaltausbrüchen gekommen, und mit solchen ist auch nicht zu rechnen. Aber es ist schlimm genug, vor allem wenn man vergleicht, wie erfreulich Kuwait war.»

Die Zahl der Christen sinke, dies wegen wirtschaftlichen Problemen, die das Land trotz des Erdölreichtums habe. «Es ist nicht mehr das Wunderland am Golf, das arme Christen aus dem ganzen Vorderen Orient angezogen hat. Wir haben in Kuwait auch kaum Bekehrungen von Moslems zum Christentum in grösserer Zahl, wie es das in anderen islamischen Ländern trotz des Verkündigungsverbots gibt. Es ist eine sehr satte Gesellschaft, die wenig offen ist für einen religiösen Aufbruch.»

Wirtschaftlich wird’s enger

Kuwait sei eines der wenigen Ölländer, das Einnahmen aus dem Erdöl unter die Bevölkerung verteile. Es bestünden sehr hohe Sozialauflagen. Viele Einwohner seien zwar nicht Staatsbürger, aber für den Einheimischen sorge der Staat in allem, ob er arbeite oder nicht. Die Teuerung bei den Grundnahrungsmittel koste den islamischen Wohlfahrtssozialismus, wie der Emir von Kuwait das System selber nenne, sehr viel. Trotz der gestiegenen Öleinnahmen aus den Höchstpreisen, tue sich der Emir von Kuwait immer schwerer, alle Auflagen, die vom Staatsbudget her bestehen, zu erfüllen.

Christen nur in Spitzenposition eingebürgert

Man sei sehr zurückhaltend mit dem Erteilen kuwaitischer Staatsbürgerschaften. Christen hätten dort Wohlstand, wenn sie hohe Löhne erwirtschaften, sie müssen arbeiten für dasselbe, das den kuwaitischen Staatsbürgern einfach so in den Schoss geworfen werde. Heinz Gstrein: «Die meisten Christen in Kuwait sind nicht Staatsbürger sondern Palästinenser. Diese haben früher leichter die Staatsbürgerschaft erhalten. Das hat aufgehört, seit die Palästinenser bei der Besetzung Kuwaits durch den Irak sich auf Saddams Seite gestellt haben. Christliche kuwaitische Staatsbürger finden wir in der Regel nur auf der Ebene ganz berühmter Ärzte oder Techniker.» Ein Christ in einer Spitzenposition werde integriert, weil man in behalten wolle, indem man ihm die Staatsbürgerschaft verleiht.

* Heinz Gstrein arbeitete über 30 Jahre für die NZZ und Radio DRS im Nahen Osten. Er schrieb zuletzt das Buch «Copts in Egypt – A Christian Minority under Siege»

** Das Barnabas-Evangelium ist ein apokryphes Evangelium, das nicht in der Bibel enthalten ist.

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Datum: 07.07.2008
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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