Sie singt über die Reformation

Sarah Kaiser: «Lieder sind immer die Tagebücher der Zeit»

Nicht einfach Lutherlieder neu interpretieren, sondern selbst Lieder über die Themen der Reformation schreiben, dies tat Sarah Kaiser auf ihrem neusten Album «Freiheit». Damit will sie bewusst machen, dass die Reformation wichtige Grundlagen der heutigen Kultur, Politik und Gesellschaft in Deutschland und der westlichen Welt gelegt hat.

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Sarah Kaiser
Livenet: Sarah Kaiser, Ihr neues Album «Freiheit» dreht sich um Reformation und auch Martin Luther. Weshalb diese starke Referenz zu diesem Thema?
Sarah Kaiser: In Deutschland feiern wir 500 Jahre Reformation. Dieses Jubiläum wird schon seit 10 Jahren vorbereitet, seit 2007, mit der sogenannten «Lutherdekade». In der Evangelischen Kirche in Deutschland hat da jedes Jahr seit 2007 ein eigenes Thema im Zusammenhang mit Reformation gehabt. 2012 durfte ich bei der Einführung von Margot Kässmann, der Reformationsbotschafterin Deutschlands, in der Berliner Gedächtniskirche singen. 

Ich selbst singe seit fast 15 Jahren schon alte deutsche Kirchenlieder im modernen Sound, quasi «reformiert». Wir geben viele Konzerte in evangelischen Kirchen. Daher war dieses Thema Reformation natürlich seit Jahren schon präsent für mich und ich habe mich gefragt, ob und wie ich mich dem Thema musikalisch nähern möchte. Ende 2015 dann hatte ich endlich eine Idee, einen Ansatz, der mich gepackt hat: Nicht einfach Lutherlieder neu interpretieren, sondern selbst Lieder über die Themen der Reformation schreiben. 

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Sarah Kaiser widmet ein Album der Reformation.
Was war «wichtiger», das Reformationsjahr 2017 oder Luthers tiefe Liebe zur Musik?
Das ist schwer zu beantworten. Von meinem Konzertprogramm her gesehen war das Reformationsjahr der Anlass und das Thema der CD. Luthers tiefe Liebe zur Musik ist sicherlich eine Brücke gewesen und hat mir den Menschen Luther sympathischer gemacht.

Können Sie ein, zwei Songs etwas hervorheben und näher vorstellen?
Eigentlich ist das sehr schwer, weil jedes Lied in sich besonders und wertvoll ist. Aber ich möchte trotzdem einfach mal zwei Lieder hervorheben: Zum einen «Meine Reformation», weil es mein persönlichstes Lied auf der Platte ist und beschreibt, was der Begriff «Reformation» für mich als Mensch und Jesusliebhaberin bedeutet. Text und Melodie kamen mir eines Tages einfach beim Spazierengehen, nachdem ich schon eine Weile über diesem Thema gebrütet hatte. 

Zum anderen ist da «Aus tiefer Not», ursprünglich eine Psalmenvertonung Luthers vom 130. Psalm. Die phrygische Melodie klingt sehr orientalisch, und zusammen mit dem Titel musste ich da sofort an Menschen denken, die uns in Europa gerade sehr nahe sind und tiefe Not erlebt haben: Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror. So entstand eine aktuelle Variante mit einem Text von mir zu einer Originalmelodie und -idee von Luther. 

Was soll das jüngste Album auslösen?
Musikgenuss. Hunger nach mehr von Gott. Ein Bewusstsein für die Bedeutung von Reformation für uns alle. Ich würde mich riesig freuen, wenn dieses Album vielen verschiedenen Menschen bewusster macht, dass die Reformation wichtige Grundlagen unserer heutigen Kultur, Politik und Gesellschaft in Deutschland und der westlichen Welt gelegt hat. 

Gleichzeitig haben Sie Songs in rund zehn Sprachen eingeübt, für das Quartett Aquabella. Was sind für Sprachen darunter, warum sind es so viele?
Aquabella singt Lieder auf Finnisch, Japanisch, Französisch, Kisuaheli, Spanisch, Arabisch, Bulgarisch und viele mehr. Das Konzept des Frauen-Vokal-Ensembles Aquabella ist es, Weltmusik zu singen, also Lieder aus verschiedenen Sprachen und Kulturen. Vor allem bekannte Hits aus anderen Ländern. Ich singe seit August 2016 bei Aquabella mit, für mindestens ein Jahr. Ich vertrete eine Sängerin, die gerade ein Kind bekommen hat. Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut, dort mitzumachen, weil ich mich immer schon stark für Sprachen und andere Kulturen interessiert habe. 

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Cover von Sarah Kaiser Album «Freiheit»
Was ist von Aquabella für die Hörer und Konzertbesucher zu erwarten?
Ein unterhaltsamer Abend, an dem bekannte Melodien zu hören sind, aber auch völlig neue Sounds und Sprachen entdeckt werden können. Es gibt auch kabarettistische Einlagen und Moderationen, die die Lieder ein wenig erklären. Also quasi eine unterhaltsame Weltreise. 

Wann sind Sie bei einem Auftritt von sich besonders bewegt?
Das ist eine spannende Frage. Ich erinnere mich an bestimmte Konzerte, wo ich tief bewegt war. Manchmal ist das ein bestimmtes Lied, ein bestimmter Text, der mir selbst gerade nahe geht oder mich auch herausfordert, wie «Gib Dich zufrieden» oder «Befiehl Du Deine Wege»; von der CD «Gast auf Erden – Paul Gerhardt neu entdeckt». Aber vor allem sind es Momente, wo die gesamte Atmosphäre im Konzertsaal sehr intensiv ist. Ich kann sehr stark spüren, wenn viel vom Publikum zurückkommt. Manchmal kann man die Luft mit Messern schneiden oder die Begeisterung oder Berührtheit des Publikums sehr stark spüren. Solche Momente sind stark und kostbar. 

Was haben Menschen durch Ihre Musik erlebt?
Da habe ich schon vieles gehört und das sind die Momente, in denen ich sehr dankbar für meinen Beruf bin und ihn als Berufung verstehe. Gerade neulich kam eine Bekannte auf mich zu und sagte mir, dass das Lied «Freiheit» von der neuen CD sie sehr berührt und bewegt habe. Eine Bekannte von ihr mache eine harte Zeit durch, und die Zeilen in diesem Lied «Im Beben der Angst, im Notstand der Kraft, in hilfloser Zeit / Mitten im Jammer, im Drohen meiner Welt, sprichst Du meine Seele frei» hätten ihr total geholfen. Ich habe auch schon von Menschen gehört, denen Lieder wie zum Beispiel «Befiehl Du Deine Wege» oder «Gast auf Erden» in Zeiten von Abschied, Trauer oder Depression sehr geholfen haben.

Wird Apostelgeschichte – oder Reformationsgeschichte – heute mit Musik geschrieben?
Nicht erst heute… Reformationsgeschichte dokumentiert sich definitiv auch in Liedern. Ich glaube, Lieder sind immer die Tagebücher der Zeit. Die biblischen Psalmen waren ja auch Lieder.


Zur Webseite:
Homepage von Sarah Kaiser
Ins Album «Freiheit» reinhören

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Datum: 14.11.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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