Theologie in der V.U.K.A.-Welt

Ist Einheit unter Christen möglich – und wenn ja, wie?

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«Wer die Postmoderne verstehen will, kommt um V.U.K.A. nicht herum», schreibt der Chrischona-Regionalleiter Christian Haslebacher. Und er spricht von einem «schwarzen Elefanten», wenn es um die Einheit der Christen geht.

Das Theologische Seminar St. Chrischona hat im Januar in der Reihe «Kommunikative Theologie» eine Tagung über vier «Schwarze Elefanten» durchgeführt. Diese stehen für Zeiterscheinungen, die eigentlich zu erwarten wären und doch nicht wirklich erwartet werden.

Einer davon ist die «V.U.K.A.-Welt», wie sie Christian Haslebacher nennt. Die Abkürzung steht für die Kennzeichen der postmodernen Welt: «Veränderlich, Unsicher, Komplex und Ambig.» Haslebacher fragt nun, wie eine echte christliche Einheit in einer solchen Welt möglich ist, ohne Kernpunkte des Glaubens aufzugeben.

Drei Grundhaltungen zur christlichen Einheit

Einer dieser Versuche ist für Haslebacher der «theologische Minimalismus», der die christliche Einheit durch eine maximale Toleranz herbeiführen möchte und die meisten theologischen Lehren ebenfalls als veränderlich, unsicher, komplex und ambig sieht. Diese Position, so Haslebachers Kritik, gehe davon aus, dass die Frage nach der Wahrheit für die jüngere Generation kaum mehr relevant sei.

Dieser Position stellt er eine andere Extremposition gegenüber, nämlich den «theologischen Maximalismus», der davon ausgeht, dass in allen Lehren ein Konsens gefunden werden könne. Haslebacher selbst lehnt auch diesen ab und plädiert für eine «Einheit durch Konsens in den Kernfragen und Toleranz in allen Nicht-Kernfragen». Er räumt ein, dass diese Position anspruchsvoll, aber nicht unrealistisch sei. Er ist überzeugt: «Die Fähigkeit, theologische Aussagen nach ihrem Gewicht unterscheiden zu können, zeugt von christlicher Reife.»

Vier Stufen

Um das Thema noch deutlicher zu beschreiben, beschreibt er vier Stufen zwischen dem theologischen Minimalismus und der Forderung, auch in Nicht-Kernfragen Einigkeit zu erzielen. Die Stufe 2, der er wohl am nächsten steht, konzentriert sich auf «Kernfragen des christlichen Bekenntnisses». Dazu gehören die Wertung der Bibel als autoritatives Reden Gottes und Gottes inspirierte Botschaft für heute. Der Mensch wird als Ebenbild Gottes gesehen als Mann und Frau. Gott wird als Schöpfer, König und Richter der Welt gesehen, Jesus als Gott, Mensch und König. Dazu gehören weitere Wahrheiten wie die leibliche Auferstehung Jesu, der Heilige Geist als dritte Person der Dreieinigkeit Gottes, die Hoffnung auf ewiges Leben, etc.

Gefahren

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Christian Haslebacher
Die in den vier Stufen beschriebenen Standpunkte ergänzt Haslebacher jeweils auch mit deren «problematischen Aspekten». Die eben skizzierte Position könne zum Beispiel zu Dogmatismus (Starrköpfigkeit), zur Betonung der Rechtgläubigkeit anstelle von echtem Leben sowie zu Überheblichkeit gegenüber anderen Christen führen, welche diese Position nicht teilen.

Einheit in allem

Die Stufe 3 bezeichnet gemäss Haslebacher eine Haltung, die davon ausgeht, dass innerhalb einer lokalen Kirche oder Denomination Einheit in den Kernfragen gefunden wird. Die Stufe 4 geht noch etwas weiter und fordert letztlich Einheit in allen Lehrfragen ein. Dazu gehören insbesondere die wörtliche Bedeutung der Sieben-Tage-Schöpfung, Endzeitfragen und die hohe Bedeutung von Israel. Diese Christen seien aber besonders in Gefahr, überheblich zu werden und Christen mit anderen Überzeugungen auszugrenzen.

Christian Haslebacher ist selbstkritisch genug um zu betonen, dass diese Einordnung letztlich eine Pauschalisierung sei und nicht allen gerecht werden könne. Es gebe auch Mischformen. Die Übersicht hilft aber, sich neu Gedanken über die eigene Position in der Frage der Einheit der Christen zu machen.

Mehr Liebe, als ihr denkt

Seine Botschaft an die Christen fasst Christian Haslebacher schliesslich so zusammen: «Nicht-Kernfragen sollten wir gelassener als V.U.K.A. sehen, Kernfragen entschiedener als Bekenntnis. Vertreterinnen und Vertretern eines 'Theologischen Minimalismus' sei gesagt: Es braucht mehr Bekenntnis als du denkst. Vertreterinnen und Vertretern eines 'Theologische Maximalismus' sei gesagt: Es ist mehr V.U.K.A. als du denkst. Allen zusammen sei gesagt: Es braucht mehr Liebe, als ihr denkt.»

Zur Webseite:
Communicatio-Magazin
V.U.K.A. Theologie

Zum Thema:
Ein Aufruf zur Tat: Alles für die Einheit, die nicht von alleine entsteht
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Rückblick «gemeinsam beten»: Eine Stunde Einheit statt Spaltung

Datum: 29.06.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Kommentare

Interessante Überlegungen! Ich plädiere für eine Art 'Biblianismus' im Sinne von: wir bemühen uns, Gottes Wort in seinem Kontext voll zu verstehen und ernst zu nehmen; wir erkennen den Geist darin und wenden die geistliche Botschaft in unserer Zeit an; wir hüten uns davor, über die schriftliche Offenbarung hinauszugehen und setzen unsere Überlegungen (Dogmen und Systeme) nicht mit Gottes Willen gleich; wir sind uns bewusst, dass wirkliche Erkenntnis und 'Einheit' in der Lehre nur in der Verbindung mit dem Herrn Jesus Christus, Glaubensgehorsam in gelebter Jüngerschaft, gefunden und vertieft wird (je näher wir alle Christus kommen, umso näher kommen wir einander, insbesondere in der Lehre).

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