Albert Schweitzer

Er traf Staatsmänner und verneigte sich vor Hühnern

Albert Schweitzer in eine Schublade zu pressen ist ähnlich schwierig, wie ein Kamel durch ein Nadelöhr zu ziehen: Er errichtete in Lambarene, Gabun ein Urwaldspital, das heute noch pulsiert, er gab Orgelkonzerte in Niederbipp und Herzogenbuchsee, er traf die Grossen dieser Welt und verneigte sich vor Hühnern. In diesem Jahr wird Schweitzer zu seinem 50. Todesjahr in besonderer Weise gedacht.

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Albert Schweitzer, 1955
Im Laufe der Jahrzehnte setzte er sich mit vielen Fragen des alltäglichen Lebens auseinander. Fritz von Gunten, Präsident des Schweizer Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene, berichtet: «Wegen Atom- und Rüstungsfragen wandte er sich an die Weltöffentlichkeit. Er kritisierte US-Präsident Kennedy und Eisenhauer. Er selbst wurde dadurch ebenfalls kritisiert.» Denn in dieser Zeit erwägte die Eidgenossenschaft ebenfalls den Bau einer Atombombe.

Vor Hühnern verneigt

Schweitzer traf wichtige Personen der Weltenbühne, darunter auch Albert Einstein, mit dem er darüber hinaus in regem Briefwechsel stand. Doch er habe Personen ungeachtet ihres Standes getroffen. «Einmal fuhr er mit dem Zug von Bern nach Uetendorf, wo eine Orgel nach seinen Plänen errichtet wurde. Unterwegs stieg er aus, um einer Bauernfrau für ihre Unterstützung zu danken», erzählt Fritz von Gunten. Pro verkauftem Ei spendete sie einen halben Rappen für Schweitzers Hilfswerk – damals ein ansehnlicher Betrag. «Auf dem Hof verneigte er sich vor den Hühnern und sagte: 'Hühner, ich danke Ihnen!' Dieses Beispiel zeigt, dass er mit dem Mann und der Frau von der Strasse sprach. Gleichzeitig verhandelte er mit Leuten der Weltpolitik, das machte ihn glaubwürdig.»

Lebenswerk wird weitergeführt

Das Spital in Lambarene am Ogooué-Fluss ist heute noch in Betrieb, 270 Mitarbeitende sind dort angestellt. Mit einer Ausnahme stammt das Personal ausschliesslich aus Afrika. «Diese Entwicklung haben wir unterstützt. An und für sich ist Gabun ein reiches Land, doch im Urwald ist die Armut noch augenfällig. Daher ist die Zusammenarbeit nach wie vor nötig.» Während der Spitalbetrieb mittlerweile selbsttragend geworden ist, wird durch Projektarbeit konkret geholfen. «Zum Beispiel haben wir in diesem Jahr die Geburtenklinik neu gebaut. Das Klima ist anders, die Temperatur liegt im Schnitt bei 30 Grad und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Die Gebäude leiden...»

«Leben, das leben will»

Neben Albert Schweitzers Spital werden sein geistiges Erbe und seine Ethik ebenfalls heute noch weitergetragen. «Ihm war die Ehrfurcht vor dem Leben wichtig, der Respekt gegenüber den Mitmenschen, aber auch der Respekt gegenüber den Tieren, den Pflanzen und der Schöpfung.»

Fritz von Gunten weist darauf hin, «wie viele Lebensmittel wir heute wegwerfen oder das Littering – dazu verbreiten wir Informationen unter Jugendlichen über Schulen und Kirchgemeinden, damit sie sich mit diesen Fragen auseinandersetzen.» Schweitzer habe diese ethische Aussage mit dem Satz präzisiert: «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.»

«Spinnen» und «Die schwarze Spinne»

Zu diesen ethischen Themen lädt die «Schweitzer-Stiftung» zu verschiedenen Veranstaltungen und Konzerten wie etwa der Uraufführung der Oper «Spinnen», die sich mit der Thematik Atommüll auseinandersetzt und gleichzeitig Bezüge schafft zum monumentalen Jeremias-Gotthelf-Werk «Die schwarze Spinne». «Bei Gotthelf war damals die Pest das grosse, ungelöste Problem. Und heute ist wohl die Endlagerung des Atommülls das grösste ungelöste Problem.»

Diese Oper wird am 7. und 8. November in Bern erstmals aufgeführt, sie wurde verfasst von Peter Roth («Toggenburger Passion»). «Das Thema ist zeitkritisch, doch Schweitzer äusserte sich damals ebenfalls zeitkritisch. 'Die gute alte Zeit', wie sie heute manchmal genannt wird, ist ein Ausdruck, in den man sich manchmal rein flüchtet, weil man nicht zu den heutigen Themen Stellung nehmen will. Schweitzer tat dies damals und wir sind verpflichtet, es heute zu tun. Viele Themen von damals sind heute aktuell. Zum Beispiel Mobbing. Das kostet unsere Gesellschaft sehr viel Geld, weil die Menschen dadurch krank werden.»

Zur Webseite:
Albert Schweitzer

Zum Thema:
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Datum: 20.09.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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